Stöpsel vom Engelbecken gezogen
Wegen Baustelle sank das Grundwasser
Immer wieder gibt es Klagen von Anwohnern über die Zustände des Gartendenkmals Engelbecken. Jetzt sinkt der Wasserstand. Schuld sei „ein Bauvorhaben in der Waldemarstraße in Friedrichshain-Kreuzberg“, sagt das Bezirksamt.
Bereits Anfang Mai hatte sich Anwohner Jörg Simon an die zuständigen Behörden in Mitte und Kreuzberg sowie den Senat gewandt, weil der Wasserstand im Engelbecken sinkt. Weil niemand reagierte, fragte Simon in einer E-Mail am 28. Mai nochmal nach und berichtete von Dutzenden toten Fischen, toten Ratten, ausgetrockneten Stellen vor dem Wasserschloss (Cafè am Engelbecken) und abgeknicktem Schilf.
Wie das Bezirksamt auf Anfrage der Berliner Woche mitteilt, „geht die Grundwasserabsenkung auf ein Bauvorhaben in der Waldemarstraße zurück“. Zuständig sei die Wasserbehörde der Senatsumweltverwaltung. „Scheinbar reicht der natürliche Grundwasserzufluss nicht aus“, heißt es aus dem Bezirksamt.
Das Problem wird durch die hohen Temperaturen noch verstärkt. Denn das Engelbecken ist ein Grundwasser gespeister See. An heißen Tagen ist die Verdunstung manchmal höher als die Frischwasserzufuhr von unten. Durch die benachbarte Baustelle wurde das Grundwasser noch weiter abgesenkt.
Nach Informationen der Berliner Woche schieben sich die zuständigen Behörden gegenseitig die Schuld zu. Die Wasserbehörde, die Grundwasserabsenkungen bei Bauvorhaben genehmigt, sei ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen, heißt es aus dem Bezirk. Deshalb drohte das Engelbecken leer zu laufen. Die für die Wasserbehörde zuständige Senatsumweltverwaltung bestätigte auf Nachfrage, dass wahrscheinlich die Baumaßnahme für den Wasserrückgang ursächlich war. "Da eine sofortige Abschaltung der Maßnahme nach Bekanntwerden des Wassermangels im Engelbecken zu erheblichen Schäden in der Baugrube geführt hätte, wurden in Abstimmung mit den beteiligten Bezirksämtern und dem Bauherren andere Gegenmaßnahmen getroffen, um Schäden des gesetzlich geschützten Biotopes zu vermeiden", teilt die Verwaltung mit. Zu den Auflagen und den Sofortmaßnahmen, die der Bauherr zu erfüllen hatte, gehörte unter anderem eine partielle Förderwasserrückführung, anschließend wurde das Engelbecken wieder befüllt. Der Sprecher der Senatsumweltverwaltung weist darauf hin, dass der Bauherr von der Wasserbehörde verpflichtet war, die "tatsächliche Fördermenge an Grundwasser lückenlos zu erfassen und nach Abschluss der Arbeiten innerhalb von zwei Tagen der Wasserbehörde zu melden ist, was auch erfolgte". Die Kosten dafür trägt der Bauherr.
Ein weiteres Problem im Sommer ist auch, dass die Besucher die Enten und Schwäne füttern. Das ist verboten, weil das Wasser überdüngt wird, wenn zu viele organische Stoffe im Wasser landen. Durch den bakteriellen Abbau wird dem System Sauerstoff entzogen, was ab einem bestimmten Punkt zum Umkippen des Gewässers führt. Einen positiven Effekt haben die 16 Fontänen, die seit elf Jahren wieder im restaurierten Engelbecken sprudeln. Sie belüften das Wasser und bringen Sauerstoff hinein. Würden die Fontänen länger laufen, wäre das besser für die Wasserqualität. Doch wegen Lärmschutz für die Anwohner sprudeln die Fontänen nur von 8 Uhr bis mittags und nachmittags nochmal bis 20 Uhr. Die einstige Sprudelhöhe von vier Metern wurde nach der Wiederherstellung des Gartendenkmals seinerzeit ebenfalls aus Lärmschutzgründen auf zwei Meter gedrosselt.
Das Engelbecken ist Teil des Luisenstädtischen Kanals, den Peter Joseph Lenné 1848 als Grünanlage und Schifffahrtsweg zwischen Spree und Landwehrkanal geplant hat. Es verdankt seinen Namen der Engelfigur auf der katholischen St. Michaelkirche. Über den Wasserweg brachten Schiffe vor allem Baumaterial, Waren und Lebensmittel für die boomende Luisenstadt. Weil die Anwohner ihre Abfälle einleiteten und das Wasser wegen des geringen Gefälles stand, glich der Kanal einer Kloake und wurde kurz nach der Eröffnung stillgelegt. 1926 wurde er mit Bauschutt aus dem U-Bahnbau zugeschüttet. Der Berliner Stadtgartendirektor Erwin Barth schuf zwischen den Kanalmauern einen Erholungspark und Lehrgarten mit Wasserspielen, Sandkästen, Promenaden und Planschbecken.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Luisenstadt im Februar 1945 von Phosphorbomben schwer getroffen und versank in Schutt und Asche. Das Ulbricht-Regime ließ 1961 das Engelbecken zuschütten und baute seine Mauer darauf. Auf Kreuzberger Seite wurden in der 1980er-Jahren die heute existierenden Anlagen zwischen Landwehrkanal und Waldemarbrücke geschaffen. Nach dem Fall der Mauer begannen die Sanierungsarbeiten. 1999 wurde das Engelbecken erstmals wieder freigelegt.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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