Schule des Lebens
Angesichts des Lehrermangels ist Berlin vorerst auf Quereinsteiger angewiesen
Ein Bekannter von mir drückt mit über 50 die Schulbank, büffelt Mathe und Deutsch und bekommt das pädagogische Rüstzeug. Parallel dazu steht er vor Grundschulklassen. Und im Dezember beendet er sein 18-monatiges Referendariat mit dem zweiten Staatsexamen. Dann ist der Quereinsteiger ein richtiger Lehrer.
2020 hat Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) 2700 Lehrkräfte neu eingestellt, davon etwa ein Drittel Quereinsteiger. Das sind Akademiker, die mindestens ein Fach der Berliner Schule wie zum Beispiel Mathe oder Deutsch studiert haben. Meinem Bekannten wurden die Fächer Bio und Deutsch anerkannt, weil er zwei Hochschulabschlüsse in Agrarwissenschaften sowie in Literatur, Kunstgeschichte und Philosophie hat.
Ohne Quereinsteiger würde das Schulsystem wahrscheinlich zusammenbrechen. Denn die Politik hat es versäumt, frühzeitig die Weichen zu stellen. Die Schülerzahlen steigen, aber von den Unis kommen zu wenige Absolventen, auch weil die Hochschulen in früheren Jahren die Lehrerausbildung drastisch heruntergefahren haben. Hinzu kommt, dass sich Laufbahnbewerber lieber einen Job in einem Bundesland suchen, in dem sie verbeamtet werden. Berlin ist inzwischen das einzige Bundesland, das dies nicht tut. Um den Lehrermangel zu dämpfen, wollen zumindest die Sozialdemokraten Lehrer zukünftig wieder verbeamten.
Vorerst sind die Schulen auf Quereinsteiger angewiesen. „Es gibt im Moment gar keine Alternative“, meint mein Bekannter. Quereinsteiger sind aber auch eine Bereicherung. Sie bringen aus ihren alten Jobs viel Lebenserfahrung mit. Die hat ein Lehrer, der frisch von der Uni in die Klasse kommt, bestimmt nicht.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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