Graffiti im Untergrund: Schüler des Weddinger Diesterweg-Gymnasiums machen maroden Tunnel zum Kunstwerk
Mitte. Elftklässler des Weddinger Diesterweg-Gymnasiums besprühen seit Wochen die Wände des maroden Fußgängertunnels unter der Leipziger Straße (Höhe Jerusalemer Straße). Doch statt die Polizei zu alarmieren, bringen Anwohner Kuchen und Getränke.
Hunderte Quadratmeter zum Besprühen, und das alles legal und äußerst erwünscht. Anders als die nächtlichen Sprayer, die in den vergangenen Jahren den Fußgängertunnel unter der Leipziger Straße beschmiert haben, drücken die Jungen und Mädchen vom Diesterweg-Gymnasium ganz offiziell auf die Düsen.
Die Graffiti-Aktion im düsteren Tunnel ist ein lange vorbereitetes Kunstprojekt. 13 Schüler des Graffiti-Kurses am Gymnasium haben ein Jahr lang geplant, wie aus dem Tunnel ein Gesamtkunstwerk wird. „Ich bin total stolz, dass wir einen ganzen Tunnel in Mitte machen“, sagt der 17-jährige Yahya. Und Nada will mit ihren Freunden und der Familie herkommen, wenn alles fertig ist. „Das ist etwas, das jeder sehen soll“, sagt sie. Am 11. Juli sollen die Wände fertig gestaltet sein, dann wird der Tunnel um 14 Uhr „mit großem Tamtam“ eröffnet, sagt Thomas Sánchez, Chef der Interessengemeinschaft Leipziger Straße. Die Anwohnerinitiative hatte die Idee zu dem Kunstprojekt, um den schmuddeligen Untergrund aufzupeppen. Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und Bezirksamt beschlossen dann, in einem Kunstprojekt mit Jugendlichen den Fußgängertunnel zu verschönern.
Um die eigene Schulfassade an der Böttgerstraße vor Schmierereien zu schützen, hatte eine Truppe vom Fachbereich Kunst im Graffiti-Kurs ein buntes Graffiti-Band aufs Schulhaus gesprüht. Der damaligen Schulstadträtin Sabine Smentek gefiel das; sie stellte den Kontakt zwischen den Weddingern und der IG Leipziger Straße her. Gemeinsam mit dem Graffiti-Künstler Josef Dube haben die Schüler ein Gestaltungskonzept entwickelt. Auf der einen Seite entsteht ein Berlin-Panorama mit Sehenswürdigkeiten wie Brandenburger Tor, Siegessäule, Fernsehturm und Konzerthaus, auf der anderen ein „Farbgeballer“, wie Dube das „Spiel mit Formen und Farbe“ nennt.
Thomas Sánchez ist begeistert vom Einsatz der Schüler, die den Anwohnern zuvor in einer öffentlichen Präsentation verschiedene Entwürfe vorgestellt hatten. Die Bewohner votierten für die orange-grüne Farbgebung, die jetzt umgesetzt wird. Auch bei den Hinweisschildern an den Treppen gab es kleine Änderungswünsche; die gesprühten Straßennamen sehen jetzt nicht mehr so comicmäßig verspielt aus.
Unterstützt wurde das Projekt vom Betreiber des Weihnachtsmarktes auf dem Gendarmenmarkt. Er hat die 5500 Euro für Material und Honorarkosten übernommen, wie Kunstlehrerin Christiane Guse sagt. Sie betont, dass die Schüler alle Arbeiten nach der Schule in ihrer Freizeit gemacht haben. Schon deshalb sei ihnen für den Praxisteil eine Eins sicher. Dazu gibt es noch die Note aus dem Theorieteil, die Guse noch nicht verraten wollte. Die Klausur soll aber auch ziemlich gut ausgefallen sein. Thomas Sánchez will sich jetzt noch darum kümmern, dass der Senat die Decke malert. Die Reparatur der defekten Leuchten sei schon versprochen. DJ
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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