Keine Angst vorm Studium: Katja Urbatsch von Arbeiterkind.de im Interview
Frau Urbatsch, sind Sie auch ein Arbeiterkind?
Katja Urbatsch: Ja, in unserem Sinne bin ich ein Arbeiterkind, eine Bildungsaufsteigerin, die als Erste in der Familie einen Hochschulabschluss gemacht hat.
Wie kam es zu Ihrer Initiative?
Katja Urbatsch: Nach dem Abitur fehlten mir die richtigen Ansprechpartner. Studieren war nicht selbstverständlich. Auch an der Uni traf ich viele, die wie ich mit Fragen und Ängsten zu kämpfen hatten. Das wollte ich nachfolgenden Generationen ersparen und veröffentlichte auf der Homepage Arbeiterkind.de Informationen für Erststudenten. Ich habe einfach von meinen Erlebnissen erzählt. Plötzlich meldeten sich aus ganz Deutschland Menschen mit ähnlichen Erfahrungen. Sie wollten sich an dem Projekt beteiligen.
Gefühlt machen immer mehr Jugendliche Abitur. Nimmt der Beratungsbedarf da nicht eigentlich ab?
Katja Urbatsch: Die Zahlen sprechen dagegen: Von 100 Akademikerkindern machen 79 Abitur, davon studieren 77. Von 100 Nicht-Akademikerkindern erreichen nur 42 das Abitur und es studieren nur 23. In Deutschland gibt es Regionen mit ganzen Abiturgängen, die nach der Schule kaum studieren.
Wie könnte ich Ihre Initiative unterstützen?
Katja Urbatsch: Wir haben kein klassisches Patenschaftsprogramm, sondern arbeiten bedarfsorientiert. Mitmachen kann jeder, der sich mit dem Thema identifiziert. Man geht einfach zur nächst liegenden Arbeiterkind.de-Gruppe oder meldet sich über unser Online-Netzwerk an. Darüber bekommt man die Termine zu unseren Aktionen zum Beispiel an Schulen. Dort erzählen wir unsere Bildungsgeschichte und informieren über das Studium. Wir sind aber keine Studienberatung, sondern setzen noch niedrigschwelliger an, weil viele nicht die offiziellen Beratungen kennen oder sich dorthin trauen. Wir hören zu und geben unsere Erfahrungen weiter.
Raten Sie auch mal zu einer Ausbildung?
Katja Urbatsch: Nicht alle müssen unbedingt studieren. Jeder soll für sich den richtigen Weg finden. Aber ich habe festgestellt: Für Akademikerkinder ist ein Studium normal, Nicht-Akademikerkinder machen eine Ausbildung. In der Schule gibt es viele Informationen zum Thema Ausbildung, es fehlt die Ermutigung, den anderen Weg zu gehen. Wir möchten, dass sich jeder der unterschiedlichen Möglichkeiten bewusst wird, die es für ihn und sie gibt.
Wie motivieren Sie Jugendliche in sogenannten Problemlagen?
Katja Urbatsch: Unsere Ehrenamtlichen erzählen authentisch ihre Geschichte und von ihrem Hintergrund - mit den positiven und negativen Facetten. Die Schüler werden dann sehr schnell aufmerksam. Durch das einfache Erzählen trifft man sich auf Augenhöhe und plötzlich wird den Schülern klar, dass auch sie eine Chance auf ein Studium haben. Sie fühlen sich aufgrund unserer Unterstützung auch nicht allein.
Wie finanzieren Sie Ihr Angebot?
Katja Urbatsch: Wir bekommen Förderungen vom Bundesbildungsministerium, von mehreren Landesministerien und Stiftungen, aber auch Spenden. Das ist nötig, weil das Ehrenamt nicht von alleine funktioniert. Neben netten Worten der Anerkennung brauchen Ehrenamtliche Anleitung, Trainings und Qualifizierung durch Hauptamtliche. Diese Festangestellten sichern auch den qualitativen Anspruch.
Wie viele Hauptamtliche beschäftigen Sie?
Katja Urbatsch: Für rund 6000 ehrenamtliche Mentoren in den 70 lokalen Arbeiterkind.de-Gruppen sind wir 13 Hauptamtliche - für ganz Deutschland. Zwei, drei Leute mehr für die Betreuung der Ehrenamtlichen wären schon gut. Denn man darf nicht vergessen: Pro Jahr erreichen wir mit unseren Angeboten rund 30.000 Menschen. In Berlin waren es 2013 rund 2000 Schüler, Studenten und Eltern.
Welche Hilfe könnten Sie noch aus der Berliner Politik bekommen?
Katja Urbatsch: Jede Unterstützung ist willkommen! Es gab von der Senatsseite immer mal wieder Interesse an uns, aber so richtig sind wir noch nicht zusammengekommen. Hier würde ich gerne eingeladen werden und die Initiative vorstellen.
Autor:Anett Baron aus Mitte |
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