Rollende Hightechlabore
Charité fordert Erhalt der Stroke-Einsatz-Mobile
Vor über zehn Jahren ging das erste Stroke-Einsatz-Mobil (STEMO) in Betrieb. Derzeit hat die Feuerwehr drei dieser rollenden Hightechlabore. Doch Ende des Jahres läuft die Finanzierung aus.
Time is brain – so lautet ein Merksatz aus der Notfallmedizin. Vor allem beim Schlaganfall geht es um jede Sekunde, um das Gehirn von der Verstopfung zu befreien und schlimmste oder tödliche Folgen zu verhindern. Wenn ein Blutgerinnsel stecken bleibt, sterben unbehandelt pro Minute knapp zwei Millionen Nervenzellen ab. Je schneller die Behandlung beginnt und Spezialisten das Gerinnsel medikamentös auflösen können, um so minder schlimm sind die Folgen des Hirnschlags.
Diagnose und Therapie beginnen
bereits am Einsatzort
Um schon am Einsatzort mit Diagnose und Therapie beginnen zu können, hat die Charité zusammen mit der Feuerwehr ein Spezial-Rettungsfahrzeug entwickelt. Der Notarzt kann in der rollenden Mini-Klinik sofort mit der nötigen Therapie beginnen. Die Hightech-Rettungswagen haben Computertomographen und Blutlabor an Bord. „Wir konnten in den vergangenen Jahren in einer Reihe groß angelegter Studien den medizinischen Nutzen der Fahrzeuge eindeutig nachweisen“, sagt Professor Heinrich Audebert vom Centrum für Schlaganfallforschung Berlin (CSB). Der Neurologe ist Initiator des STEMO-Programms.
Jede Sekunde zählt
Wenn ein STEMO kommt, beginnt für die Patienten die Blutverdünnungstherapie im Schnitt 20 bis 25 Minuten früher als erst in der Notaufnahme. „Schlaganfall-Betroffene überleben häufiger und tragen seltener eine Behinderung davon“, so Audebert. Rückte ein STEMO aus, verstarben rund sieben Prozent der Patienten, bei konventioneller Rettung waren es rund neun Prozent, so ein Studienergebnis. Ein anderes Ergebnis der von Professor Heinrich Audebert geleiteten Studie: Bei Schlaganfallpatienten, zu denen ein STEMO losgeschickt wurde, war das Risiko, nach drei Monaten durch schwerere Behinderungen eingeschränkt zu sein, im Vergleich zum normalen Rettungsdienst um 29 Prozent geringer.
Doch die Kosten für die effektive Lebensrettung sind hoch. 3,4 Millionen Euro hat der Betrieb der drei STEMOS 2020 gekostet. Die Charité appelliert an die politisch Verantwortlichen, die STEMO-Fahrzeuge dauerhaft zu behalten. „Sie haben ihren großen medizinischen Nutzen bei akzeptablem Aufwand nun überzeugend bewiesen“, sagt Charité-Vorstand Professor Martin E. Kreis.
"Ein zusätzlich gewonnenes Lebesjahr
kostet 41.000 Euro"
Forscher der TU Berlin haben jetzt die wirtschaftlichen Effekte der STEMO-Versorgung analysiert. Sie haben die zusätzlichen Kosten der STEMO-Therapie mit dem verbesserten medizinischen Ergebnis verglichen. „Statistisch kostet ein zusätzlich gewonnenes Lebensjahr bei voller Lebensqualität rund 41 000 Euro“, hat TU-Professor Reinhard Busse ausgerechnet. „Das liegt im Bereich der in unseren Gesellschaften akzeptierten Spanne für einen gesundheitlichen Zugewinn“, so Busse.
Krankenkassen bezahlen nur unter Vorbehalt
Die Kosten für den STEMO-Einsatz übernehmen die Krankenkassen. Pro Einsatz sind die mit rund 1000 Euro etwa dreimal so hoch, als wenn ein normaler Notarztwagen ausrückt. Jährlich sind die drei Stroke-Mobile etwa 6000 Mal im Einsatz. „Die Krankenkassen und Krankenkassenverbände sehen bisher keinen erkennbaren Bedarf für das STEMO im Notfallrettungssystem und erstatten die Gebühren für STEMO unter Vorbehalt“, teilt Sylvia Schwab, stellvertretende Sprecherin der für den Feuerwehretat zuständigen Senatsinnenverwaltung, mit. Deshalb will der Senat Belege für die positiven Effekte der Hightech-Wagen und hatte Studien zum gesundheitlichen und wirtschaftlichen Nutzen des Rettungskonzepts gefordert. „Die finale Evaluation ist noch nicht abgeschlossen“, so Sylvia Schwab weiter. Erst danach werde über den weiteren Einsatz der STEMOs entschieden werden. Vorsorglich seien in den Doppelhaushalt 2022/2023 aber bereits jeweils rund drei Millionen Euro für den Betrieb eingeplant.
Dass die STEMOS sehr sinnvoll sind, habe die Charité mit den zwei Studien jetzt hinreichend belegt, sagt Heinrich Audebert. Er ist zuversichtlich, dass die drei Spezialfahrzeuge ab kommenden Jahr zur normalen Regelversorgung gehören.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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