Handy-App rettet Leben
Seit Oktober 2020 werden registrierte Ersthelfer bei Herzstillständen alarmiert
Zweieinhalb Jahre nach Start der Ersthelfer-App Katretter haben sich bei der Feuerwehr 10 781 freiwillige Helfer registriert. Das System rettet Leben, wenn alarmierte Helfer in der Nähe noch vor Eintreffen des Rettungsdienstes mit der Herzdruckmassage beginnen.
Wenn das Herz stehen bleibt, zählt jede Sekunde. In Berlin hört es bei rund 2600 Menschen jährlich auf zu schlagen. Nur jeder Zehnte überlebt einen Herz-Kreislauf-Stillstand ohne bleibende Schäden. Je schneller eine Herzdruckmassage beginnt, desto höher sind die Überlebenschancen. Die Feuerwehr alarmiert seit Oktober 2020 beim Stichwort „Reanimation“ zeitgleich mit den Rettungsteams registrierte Ersthelfer in der Nähe über die App Katretter. Bis Ende 2022 schrillte bei insgesamt 19.743 Alarmen wegen Herzstillstand gleichzeitig bei 18.154 im Umkreis von 500 Metern eingeloggten Handys der Alarm. In jedem zweiten Fall – also bei 9351 Einsätzen – waren ehrenamtliche Erstretter zur Stelle, um zu helfen. Öfter sogar zwei oder drei, denn das Rettungssystem schickt den Alarm an bis zu drei freiwillige Helfer gleichzeitig, wenn mehrere Handys im Umkreis eingeloggt sind. Diese Zwischenbilanz gab jetzt Innenstaatssekretär Torsten Akmann auf eine SPD-Anfrage.
Das System Katretter wurde vom Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme (Fokus) gemeinsam mit der Berliner Feuerwehr entwickelt. Fokus mit Sitz in der Kaiserin-Augusta-Allee 31 hat auch die Katwarn-App entwickelt, über die Millionen bei Unwetter und Katastrophen gewarnt werden können. Feuerwehrleitstellen und Notrufzentralen bezahlen für die Implementierung des Katretter-Systems eine einmalige Gebühr von 15.000 Euro, heißt es in der Fokus-Broschüre. Dazu kommen 3000 Euro jährlich für die technische Unterstützung.
Und so funktioniert das Katretter-System: Wenn bei der Feuerwehr ein Notruf eingeht, der auf einen Herzstillstand schließen lässt, werden neben dem professionellen Rettungsteam auch die registrierten Katretter informiert, die sich in der Nähe (500 Meter in der Innenstadt, 1000 Meter am Stadtrand) befinden. Die Helfer haben 30 Sekunden Zeit, den Alarm anzunehmen. Ziel ist es, dass so schnell wie möglich jemand vor Ort ist und unverzüglich mit der Herzdruckmassage beginnt, bis der Notarzt eintrifft und übernimmt. Wer den Notruf annimmt, bekommt die Adresse und weitere Informationen aufs Handy geschickt. Das ganze System basiert auf Freiwilligkeit. Die registrierten Katretter können eingehende Alarme auch ablehnen, indem sie den 30-Sekunden-Countdown ablaufen lassen oder wegdrücken. Für die Einsätze gibt es auch keine Vergütung. Jeder kann sich als Katretter registrieren, eine medizinische Qualifikation ist zumindest in Berlin nicht nötig. Die Helfer müssen lediglich volljährig sein und sich eine Wiederbelebung zutrauen.
„Jede Hilfe, auch eine laienhafte Herzdruckmassage, ist besser als nichts“, sagt Feuerwehr-Sprecher Dominik Pretz. Er ist selbst registrierter Katretter. „Bei Herzstillstand kann man nichts mehr verschlimmern“, weiß Pretz. Jeder Versuch, das Herz wieder zu aktivieren, ist eine Chance. Fast alle Berliner Ersthelfer haben aber eine medizinische Ausbildung, sind Ärzte oder Fachpersonal, wie aus der Statistik von 2021 hervorgeht. Nur zwei Prozent der Katretter hatten keine medizinische Qualifikation.
Die Statistik zeigt auch, dass fast alle Notfälle zu Hause passieren (73 Prozent). Ein Fünftel der notwendigen Reanimationen fand im „öffentlichen Raum“ statt. Dass eine schnelle Hilfe durch Erstretter bei Herz-Kreislauf-Stillständen die Überlebenschancen erhöht, zeigen Untersuchungen aus Gütersloh, wo die Katretter-App auch eingesetzt wird. In Berlin gibt es dazu bisher keine exakte Studie. 2021 hatten laut Feuerwehr-Jahresbericht bei rund 10.000 Handy-Alarmierungen und 5000 Annahmen bei fast 600 Patienten freiwillige Ersthelfer noch vor dem Notarzt mit der Wiederbelebung begonnen.
Berlin will langfristig mindestens ein Prozent der Bevölkerung – das sind rund 40.000 Menschen – als Ersthelfer für Katretter gewinnen. Die Feuerwehr befragt die Katretter nach ihren Einsätzen auch zu ihren Erfahrungen und bietet bei Bedarf psychologische Hilfe an. 8,7 Prozent der Ersthelfer haben das angenommen, wie aus der Abgeordnetenhaus-Anfrage hervorgeht. Alarmierte Retter haben sich immer dann beschwert, wenn sie nach wenigen Minuten zwar am Unfallort waren, aber schon ein Rettungsteam da war. Ärgerlich finden die Ersthelfer auch, wenn sich der Alarm als Fehlalarm herausstellt und niemand reanimiert werden musste.
Weitere Informationen dazu unter www.berliner-feuerwehr.de/ihre-sicherheit/praevention/katretter/ und auf katretter.de.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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