Bis es blutet: Skin Picking ist oft ein Ventil für Stress oder Wut

Bei Skin Picking scannen Betroffene ihren Körper nach Unreinheiten ab. Dann quetschen, drücken oder kratzen sie – oft bis es blutet. | Foto: Andrea Warnecke
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  • Bei Skin Picking scannen Betroffene ihren Körper nach Unreinheiten ab. Dann quetschen, drücken oder kratzen sie – oft bis es blutet.
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Kratzen, drücken, quetschen: Skin Picking oder auch Dermatillomanie ist oft ein Ventil. "Bei Stress, bei Anspannung, Überforderung, heftigen Emotionen, Wut oder Trauer", sagt Iris Hauth, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Bei vielen ist es auch Langeweile.

Wenn man Auslöser und typische Situationen kennt, kann man versuchen, das gewohnte Verhalten zu ersetzen. Leicht ist das nicht. "Hör doch auf zu knibbeln". Dieser Satz begleitet Sarah Meyer (Name geändert) schon fast ihr halbes Leben. Aber sie kann nicht. "Ich fühle nach Unreinheiten, scanne meinen Körper ab und suche, wo ich was kratzen oder drücken kann", sagt die Studentin aus Nordrhein-Westfalen. Und dann knibbelt, quetscht, drückt und kratzt sie. Bis es blutet. "Es sieht hinterher schlimmer aus als vorher. Und man hört nach einer Stelle ja auch nicht auf." Angefangen hat alles mit 13 oder 14 Jahren.

"Wenn das Skin Picking anhaltend über mehrere Wochen oder Monate besteht und Hautschäden sichtbar werden, ist das ein Alarmsignal", sagt Hauth. Auch wie sehr das Problem den Alltag beeinflusst, spielt eine Rolle: "Viele schämen sich für die Entzündungen oder die Narben und isolieren sich."

Viele Betroffene wissen zunächst gar nicht, was mit ihnen los ist. So ging es auch Ingrid Bäumer. Schon mit sechs Jahren hat das Skin Picking bei ihr begonnen. Mit Ende 30 hat sie erstmals den Begriff gehört – weil sie im Internet nach zwanghaftem Knibbeln gesucht hat. "Mit fast 40 hatte ich dann so viele Wunden, dass ich dachte: ’Jetzt muss ich zusehen, dass ich das in den Griff kriege’", sagt die heute 44-Jährige. Sie gründete eine Selbsthilfegruppe und hat ihr Knibbeln zu 90 Prozent im Griff. Auch Sarah Meyer war kürzlich dort.

Sie will künftig auch regelmäßig zur Kosmetikerin gehen – in der Hoffnung, dass sie dann zumindest das Knibbeln im Gesicht sein lässt. Außerdem schläft sie jetzt in weißer Bettwäsche, um zu verhindern sich vor dem Schlafengehen blutig zu kratzen.

Zwar ist Skin Picking in erster Linie ein psychisches Problem. Dennoch kann der Hautarzt helfen, größere Schäden zu verhindern. "Die Desinfektion der betroffenen Stellen ist wichtig", sagt Steffen Gass, Vizepräsident des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen. Bei Wunden kann Heilsalbe sinnvoll sein. "Die entstandenen Narben können mit Kortison oder Cremes auf Silikon-Basis behandelt werden." Vielleicht kann Creme sogar einen Beitrag leisten, das Knibbeln zu reduzieren. "Cremen statt kratzen", schlägt Gass vor.

Sein Verhalten umzutrainieren dauert. "Ein bis zwei Monate sollte man sich schon Zeit nehmen", rät Hauth. Wer dann merkt, dass er sich selbst nicht helfen kann, sollte sich professionelle Hilfe suchen. Entweder über den Hausarzt oder einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, der kognitive Verhaltenstherapie anbietet.

Ausreden finden, sich abkapseln, sich verhüllen und sich schämen: Sarah Meyer will etwas dagegen tun. Neben dem Besuch bei der Selbsthilfegruppe sucht sie nach einer Therapie. Am liebsten würde sie sich stationär behandeln lassen. "Wenn ich mir was wünschen könnte, würde ich nur noch an einer Stelle unterm Fuß kratzen." mag

Weiterführende Informationen und Kontakte zu Selbsthilfegruppen und Therapeuten unter www.skin-picking.de
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Ratgeber-Redaktion aus Mitte

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