Mühsam, aber möglich: Gut leben mit Asperger-Syndrom

Menschen mit Asperger-Autismus gelten oft als skurrile Einzelgänger - aber sie können durchaus lernen, die Mimik und Gestik anderer Menschen zu deuten und damit besser in ihrem Umfeld zurecht zu kommen. | Foto: Patrick Pleul
  • Menschen mit Asperger-Autismus gelten oft als skurrile Einzelgänger - aber sie können durchaus lernen, die Mimik und Gestik anderer Menschen zu deuten und damit besser in ihrem Umfeld zurecht zu kommen.
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Kinder mit Asperger-Syndrom stehen im übertragenen Sinn oft im Abseits. Ihre Wissbegier konzentriert sich häufig auf eng abgesteckte Themengebiete. Mit Gleichaltrigen können sie sich nicht gut unterhalten, und sie kommen mit alltäglichen Situationen selten auf Anhieb klar.

"Das Asperger-Syndrom ist eine autistische Störung, die - wie alle anderen autistischen Störungen auch - schon in der frühen Kindheit beginnt und mit deutlichen Auffälligkeiten verbunden ist", sagt Inge Kamp-Becker von der Spezialambulanz für Autismus-Spektrum-Störungen am Uniklinikum Marburg. Den Erkrankten fällt es schwer, Kontakte zu anderen Menschen zu knüpfen, sie können nicht angemessen mit anderen kommunizieren und haben eingeschränkte Interessen. Außerdem ist ein zwanghaftes Festhalten an Wiederholungsroutinen typisch. Schätzungsweise 0,9 Prozent der Bevölkerung sind betroffen.

Im Unterschied zu Kindern mit frühkindlichem Autismus haben Asperger-Autisten keine Sprachentwicklungsstörungen. Oft besuchen sie normale Schulen. "Eltern merken zwar meist schon früh, dass ihre Kinder irgendwie anders sind", sagt Kamp-Becker. "Auffällige Verhaltensweisen werden aber im Kleinkindalter oft noch toleriert." Gerade weil sich die Sprachentwicklung nicht verzögert, werde das Syndrom häufig erst spät diagnostiziert. Eine Asperger-Diagnose bedeute aber nicht, dass Betroffene zwangsläufig nur eine leichte autistische Störung haben oder - wie oft behauptet - hochbegabt sind.

Autisten können Mimik und Gestik nicht verstehen, Gefühlsregungen ihres Gegenübers nicht einordnen. Es fällt ihnen schwer zu erkennen, welche Absicht jemand beim Reden verfolgt. "Das ist eine Fähigkeit, die sich normalerweise etwa im vierten Lebensjahr herausbildet, und die wahrscheinlich viel mit der Vernetzung verschiedener Hirnareale zu tun hat", sagt Prof. Ludger Tebartz van Elst von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Uniklinikum Freiburg.

Autistische Menschen sind in komplexen sozialen Situationen daher überfordert. Daraus resultiere wahrscheinlich auch das starke Bedürfnis nach Routinen und erwartungsgemäßen Abläufen oder die intensive Beschäftigung mit Details, erklärt er. Wichtig sei es, die Störung früh zu erkennen. "Sonst gibt es so einen Rattenschwanz von Missverständnissen, so viel Frust, Hänseleien und fehlende Akzeptanz - in der Schule, bei der Arbeit und in den Beziehungen."

Betroffene müssen in mühsamer Kleinarbeit und sehr zeitintensiv üben, was anderen intuitiv gegeben ist: Mimik zu deuten, in Gesprächssituationen angemessen zu reagieren, veränderte Alltagssituationen oder auch ganz normale Dinge wie Einkäufe zu bewältigen. Doch das lohnt sich. Auch die berufliche Integration entsprechend der vorhandenen Stärken und Interessen sei ganz wesentlich, um andere Defizite auszugleichen, so Tebartz van Elst.

Weitere Informationen zum Thema unter http://asurl.de/12jl, Selbsthilfegruppen unter http://asurl.de/12jk. Literatur: Christine Preißmann: "Asperger - Leben in zwei Welten", Trias, 192 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 9783830480136; Christine Preißmann: "Überraschend anders: Mädchen und Frauen mit Asperger", Trias, 192 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 9783830468196.
dpa-Magazin / mag
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