Nur noch Angst im Kopf: Was Betroffene bei Panikattacken tun können
Im Aufzug, in der U-Bahn oder wenn große Veränderungen anstehen, bekommt Andrea Müller (Name geändert) Panikattacken. Bei ihrer ersten wusste sie überhaupt nicht, was los ist. "Ich dachte, ich sterbe."
Damals war die heute 30-Jährige 17 und hatte auf der Abschlussfahrt mit der Schule gerade einen Joint geraucht. Dann war eine Weile Ruhe, aber die nächste Attacke kam ein paar Wochen später, wieder im Urlaub. Und auch die nächsten Attacken kamen. Inzwischen ist sie in Therapie, besucht regelmäßig die Münchner Angst-Selbsthilfe und hat einen Klinikaufenthalt hinter sich. "In der Situation ist dann nur noch Angst, Angst, Angst in meinem Kopf", erzählt Müller. Sie ist damit nicht alleine: Zwei Prozent der Deutschen haben laut Robert Koch-Institut eine Panikstörung.
Dahinter steckt oft die Angst vor Kontrollverlust, erklärt Christa Roth-Sackenheim, Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Psychiater (BVDP). "Betroffene haben das Gefühl, hilflos in der Situation eingesperrt zu sein." Ausgelöst werden können Panikattacken etwa, wenn nahestehende Menschen plötzlich sterben, man bei einem Unglück hilflos war – aber auch eigentlich positive Veränderungen wie die Geburt eines Kindes oder eine Heirat. Nur selten haben die Anfälle körperliche Ursachen wie eine Überfunktion der Schilddrüse.
Bei einer Panikattacke laufen die nicht willentlich steuerbaren Mechanismen des sympathischen Nervensystems, das unter anderem den Körper in Fluchtbereitschaft versetzt, unabhängig von äußeren Umständen ab. Die Folgen können etwa Herzrasen, Schwitzen, Harndrang oder Atemnot sein. Meist dauert eine Panikattacke etwa 20 Minuten.
Andrea Müller hat gelernt, damit umzugehen. Wenn Angst spürbar wird, versucht sie, dem Gefühl keine Aufmerksamkeit zu schenken. Bei einer Panikattacke geht sie zum Sport oder draußen spazieren. Und sie telefoniert ziemlich viel. "Das Handy ist mein Rettungsanker. Es hilft mir, wenn jemand dabei ist – live oder am Telefon. Das erdet mich, wenn ich nicht klar denken kann." Auch Kältereize oder die Massage mit dem Igelball helfen manch einem, sagt Roth-Sackenheim.
Ein Bestandteil der kognitiven Verhaltenstherapie ist auch die Konfrontation. Das bedeutet, dass Betroffene angstauslösende Situationen gemeinsam mit ihrem Therapeuten durchstehen. Und zwar ohne Hilfsmittel: "Viele trinken Wasser oder hören Musik zur Ablenkung. Das drückt die Angst künstlich runter", erklärt Jens Plag von der Spezialambulanz für Angsterkrankungen an der Berliner Charité. "Bei der Konfrontation machen die Betroffenen die Erfahrung, dass die Angst physiologisch von alleine abfällt."
Förderlich ist auch Sport. Das haben Plag und seine Kollegen erforscht. In der Studie ging eine Gruppe von 40 Betroffenen neben der kognitiven Verhaltenstherapie dreimal in der Woche 30 Minuten laufen, die andere Gruppe machte neben der Therapie Dehnungsübungen. "Sechs Monate nach dem Ende der Studie zeigte die Lauf-Gruppe eine geringere Angstsymptomatik", sagt Plag. Es empfiehlt sich für Betroffene "absolut", Ausdauersport zu betreiben.
Andrea Müller hat auch die Selbsthilfegruppe sehr geholfen. "Man muss nichts erklären. Und man merkt einfach, dass man nicht alleine ist." mag
Autor:Ratgeber-Redaktion aus Mitte |
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