Wenn der Sprech-Fluss gestört ist: Oft hilft Stotterern eine intensive Therapie
Sprechen ist eine komplexe Angelegenheit. Binnen Sekundenbruchteilen müssen Atmung, Stimmgebung und Artikulation koordiniert werden.
"Bei Stotterern ist das Zusammenspiel einzelner Vorgänge im Gehirn während des Sprechens gestört", sagt Ulrike Genglawski von der Bundesvereinigung Stottern und Selbsthilfe. Was genau den Fluss stört, ist noch nicht endgültig erforscht. Wissenschaftler gehen aber von einer erblichen Disposition als Ursache aus. "Nicht jeder, der diese Disposition in sich trägt, ist zwingend Stotterer", sagt Genglawski. Die Mehrheit der Stotterer hat seit ihrer Kindheit Probleme mit dem Sprachfluss. Bei mehr als 80 Prozent verschwindet das Phänomen während der Pubertät.
Albert Hendlmeier litt viele Jahre unter Sprechangst, wollte mit allen Mitteln vermeiden, ins Stottern zu geraten. Für den gelernten Schlosser war der einfachste Weg, ungewohnte Sprechsituation zu vermeiden: "Damit ja niemand merkt, dass ich stottere", sagt der 72-Jährige. Schließlich konnte sein Gegenüber häufig nicht damit umgehen. Laut Genglawski vermeiden viele erwachsene Stotterer das Sprechen. Im schlimmsten Fall ziehen sie sich zurück und vereinsamen.
Die meisten Betroffenen schaffen es weitgehend, ihr Stottern in den Griff zu bekommen. Vielen hilft eine Therapie. Eine von der Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe anerkannte Methode ist das "Fluency Shaping". Stotterer lernen, am Anfang eines Wortes die Stimme weich einzusetzen, Vokale zu dehnen und ihre Atmung zu kontrollieren. Anja Fuhrmann hat diese Therapie am Institut der Kasseler Stottertherapie absolviert. Heute spricht sie nahezu stotterfrei, arbeitet als Marketingspezialistin am Institut und gibt selbst Therapiestunden. "Mich hat der Austausch mit anderen Betroffenen enorm gestärkt und mein Selbstbewusstsein aufgebaut."
Die Therapie ist sehr zeitaufwendig, gibt Fuhrmann zu bedenken. Nach einer zehntägigen Intensivtherapie folgen über zehn Monate verteilt Einzel- und Gruppensitzungen. "Je nach Disziplin und Einsatz der Patienten können die meisten nach rund einem Jahr nahezu stotterfrei sprechen", erklärt Anja Fuhrmann.
Albert Hendlmeier hat erst durch den Austausch mit anderen Stotterern in einer Selbsthilfegruppe neues Selbstbewusstsein geschöpft und das Sprechen in den Griff bekommen. Von ihrem Umfeld erwarten Stotterer vor allem Verständnis. Auf keinen Fall sollte man ins Wort fallen, ihnen mit gut gemeinten Ratschlägen wie "Tief durchatmen" nur noch mehr Druck aufbauen oder gar den Blickkontakt meiden. mag
Autor:Ratgeber-Redaktion aus Mitte |
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