DEMENZ
Wenn die Familie zu Fremden wird: Sechs Tipps für pflegende Angehörige

Stand 2018 leben in Deutschland laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft rund 1,7 Millionen Menschen mit Demenz, pro Jahr kommen etwa 300 000 Neuerkrankungen hinzu. | Foto: Verband Pflegehilfe (VP)
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  • Stand 2018 leben in Deutschland laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft rund 1,7 Millionen Menschen mit Demenz, pro Jahr kommen etwa 300 000 Neuerkrankungen hinzu.
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Es ist ein Krankheitsbild, das in der heutigen Zeit in aller Munde ist und immer mehr Menschen direkt betrifft: Die Rede ist von Demenz. Zwei Drittel der an Demenz Erkrankten werden nach Informationen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft (DAlzG) zu Hause gepflegt, was für die Angehörigen zu einer Belastung werden kann. Doch wie gehe ich als Angehöriger mit der Situation um, ohne selbst komplett auszubrennen?

1. Krankheit eingestehen

Sich die Demenzerkrankung eines geliebten Menschen einzugestehen, fällt vielen nicht leicht. Symptome werden ignoriert oder kleingeredet, die Brisanz der Situation verdrängt. Doch: "Je früher man eine dementielle Erkrankung erkennt, desto wirkungsvoller können weitere Schritte getroffen werden", so Sabrina Cali von der Pflegeberatung beim Verband Pflegehilfe (VP).

2. Ohnmachtsgefühle akzeptieren

Zu sehen, wie sich ein vertrauter Mensch nach und nach zu einem "Fremden" entwickelt, ist für niemanden leicht: Das Gedächtnis lässt nach, das Verhalten ändert sich, teilweise werden Erkrankte aggressiv und beleidigend. Wenn man dann noch derjenige ist, der den Betroffenen rund um die Uhr pflegt und betreut, lassen die Ohnmachtsgefühle nicht lange auf sich warten. "Akzeptieren Sie diese Gefühle. Vielen hilft auch der Austausch mit anderen Betroffenen", rät Sabrina Cali.

3. Konflikte vermeiden

Die dementiellen Veränderungen bergen natürlich auch ein hohes Konfliktpotenzial. "Sollten Sie das Gefühl haben, die Beherrschung zu verlieren, hilft es, beispielsweise kurz aus dem Raum zu gehen, frische Luft zu schnappen, bewusst ein- und auszuatmen oder ein Glas Wasser zu trinken", rät Cali. Sollte es dafür schon zu spät sein, sollte man sich mit Hilfe von Achtsamkeitsübungen wieder beruhigen und sich danach bei dem zu Pflegenden entschuldigen.

4. Grenzen erkennen und setzen

Ein wichtiges Thema ist auch das Erkennen und Setzen von Grenzen. Man sollte versuchen, sich in die Perspektive des Pflegebedürftigen hineinzuversetzen und so sein Verhalten zu verstehen. So hat man die Möglichkeit, auf neue Verhaltensweisen angemessen zu reagieren. "Verlieren Sie jedoch auch Ihre persönlichen Grenzen nicht aus dem Blick", rät Cali. "Demente, die sich ihrer Situation bewusst sind, lassen ihre Wut und Hilfslosigkeit oft an ihrer Umwelt aus. In diesem Fall müssen Sie deutlich machen: So nicht."

5. Die Nachtruhe sicherstellen

Oft kommt es vor, dass dementiell Erkrankte mit nächtlichen Unruhezuständen zu kämpfen haben, was natürlich auch den pflegenden Angehörigen am Durchschlafen hindert. "Setzen Sie tagsüber am besten auf anregende Aktivitäten, wie Spazieren gehen oder Spielen und halten Sie Ihren Angehörigen wach", empfiehlt Cali. So erhöht man die Chance auf eine ruhige Nacht. Sollte auch das nicht helfen, kann man eine Nachtpflege hinzuziehen, an der sich ab Pflegegrad 2 auch die Pflegekassen beteiligen.

6. Für Entlastung sorgen

"Machen Sie nicht den Fehler, die Sache allein durchstehen zu wollen", warnt Cali. Falscher Stolz oder ein schlechtes Gewissen sind hier fehl am Platz. "Binden Sie Familienmitglieder, Freunde, Bekannte oder Nachbarn in die Pflege und Betreuung mit ein." Ist dies nicht möglich, gibt es verschiedene Angebote zur Entlastung: Tagespflegen, Betreuungsgruppen, ein zeitlich begrenzter Aufenthalt im Pflegeheim oder eine stundenweise Betreuung. Frau Cali empfiehlt: "Klären Sie am besten so früh wie möglich für sich die Frage: Bis zu welchem Punkt kann ich pflegen? Ab wann wird es mir zu viel? Welche Unterstützung benötige ich wann?"

Weitere Tipps zum Umgang mit dementen Angehörigen gibt es bei Beratungsstellen der Caritas, bei der Deutschen Alzheimer Gesellschaft oder beim regionalen Pflegestützpunkt. Telefonische Beratung gibt es kostenfrei an sieben Tagen in der Woche unter Telefon 06131 83 82 16-0 vom Verband Pflegehilfe.

Literatur: „Umsorgt wohnen in Berlin-Brandenburg“, 5. Auflage, ISBN 978-3-941891-19-7, 464 Seiten, 19,90 Euro. Erhältlich im Buchhandel, unter Telefon 0800 600 89 84 (gebührenfrei, zzgl. Versandkosten) oder im Internet auf www.umsorgt-wohnen.de.

Stand 2018 leben in Deutschland laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft rund 1,7 Millionen Menschen mit Demenz, pro Jahr kommen etwa 300 000 Neuerkrankungen hinzu. | Foto: Verband Pflegehilfe (VP)
Der Ratgeber „Umsorgt wohnen in Berlin-Brandenburg“ von Jochen Mertens und Thomas Wendt ist aktuell in der fünften Auflage verfügbar und gibt Tipps und Kontakte rund um das Thema Altersvorsorge und Pflege. | Foto: Umsorgt wohnen
Autor:

Jochen Mertens aus Mitte

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