Als Hotelpage im Adlon: Ein Gastronom erzählt ein Stück deutscher Geschichte
"Ich bin ein Berliner Kind und der Stadt immer treu geblieben", betont Wolfgang Hoebel, der 1937 in Prenzlauer Berg geboren wurde und heute in Schöneberg nahe dem Nollendorfplatz lebt. Schon im zarten Alter von fünf Jahren wollte er hinter die Kulissen der Gastronomie blicken. Seine Eltern waren beide im Traditionshaus "Lutter & Wegner" beschäftigt. "Mein Vater war dort Oberkellner, meine Mutter arbeitete in leitender Stellung." Nach dramatischen Kriegserlebnissen - der Vater verhungerte 1945 vor den Augen seines Sohnes - begann Wolfgang Hoebel 1953 im "Rest-Adlon" eine Ausbildung als Page. Es ist der Beginn seiner gastronomischen Laufbahn und seiner persönlichen Auseinandersetzung mit der Diktatur. "Gastronomie und Sozialismus passen nicht zusammen", sagt Wolfgang Hoebel. Die Gastronomie sei auf den Einzelnen ausgerichtet, der Sozialismus auf das "Kollektiv". "Höflichkeit war rationiert."
Die DDR verlässt er bis zu ihrem Ende zwar nicht. Aber dem Drängen von Parteioberen, der SED beizutreten, verweigert er sich bis zuletzt standhaft; selbst als er den Direktorenposten großer Gastronomiebetriebe des staatlichen DDR-Einzelhandelsunternehmens HO innehatte. Mit der Folge, dass er von der Stasi auf Schritt und Tritt bespitzelt wurde. Als Hauptgrund für sein Nein nennt Hoebel die Ereignisse des 17. Juni 1953, die er vor der Tür des Adlon, am Brandenburger Tor, miterleben musste.
Wolfgang Hoebels mit eigenen Fotos reich bebilderte Autobiografie gibt interessante, so noch nicht geschilderte Einblicke in dieses Luxushotel am Pariser Platz. "Vieles was über das Adlon in den 50er-Jahren kursierte, ist falsch", erklärt Hoebel selbstbewusst. Während seiner Lehrzeit bis 1957 hatte das Adlon 87 Betten, "alles pompöse Kaiserbetten", Mahagonimöbel, luxuriöse Bäder. Der Staat subventionierte den Betrieb. Der Gast, darunter Prominente wie Thomas Mann, Bertolt Brecht - "der machte auf mich einen eher einfachen und ungepflegten Eindruck" -, Wilhelm Furtwängler oder Walter Felsenstein, zahlte acht Ostmark für ein Einzelzimmer und 32 Ostmark für eine Suite. In den 70er-Jahren machte man aus dem Hotel ein Jugendwohnheim, 1984 wurde es abgerissen.
Im Juni werden es 25 Jahre, dass Wolfgang Hoebel sein erstes eigenes Restaurant eröffnen konnte, mit der Erfahrung eines ganzen Lebens und etlichen beruflichen Stationen in der Sächsischen Schweiz, in Königs Wusterhausen, Sofia und wieder in Berlin. "Der 9. November 1989 war für mich der schönste Tag in meinem Leben, das Happy-End nach der Misere", bekennt der Vollblut-"Kneiper".
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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