Wertvoller „Müll“ aus dem Mittelalter
Archäologen haben am Molkenmarkt einen außergewöhnlichen Schatz ausgegraben

Eine Archäologin legt den Schatz in der Holzkonstruktion frei.  | Foto: Landesdenkmalamt Berlin, Anna Schimmitat
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Tausende Gegenstände aus einem Mittelalter-Haushalt haben Archäologen bei Grabungen am Molkenmarkt in einem 20 Quadratmeter großen Keller gefunden. Warum an dieser Stelle so viel Hausrat entsorgt wurde, der für die Wissenschaft heute sehr wertvoll ist, wissen die Forscher noch nicht.

Es gibt in Berlin keine Häuser mehr aus dem 14. oder 15. Jahrhundert. Nur noch Kirchen und die Stadtmauer sind mittelalterliche Zeugnisse. Umso begeisterter seien Berlins Archäologen über den einzigartigen Fund auf dem Großen Jüdenhof an der Klosterstraße, so Landesarchäologe Matthias Wemhoff. Er sagt viel darüber aus, wie die Menschen damals gelebt haben.

Die Grabungebn am Molkenmarkt 2022. | Foto: Landesdenkmalamt Berlin, Eberhard Völker
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Seit drei Jahren wühlen sich vor der Neugestaltung des Areals vor dem Alten Stadthaus Archäologen durch die Erde. Bei der größten Stadtkerngrabung Deutschlands wurde bereits eine intakte Straße aus Holzbohlen aus dem 13. Jahrhundert ausgebuddelt. Doch das, was die Maulwürfe in einem vier Meter unter der Erde entdeckten Holzkeller gefunden haben, ist „in Anzahl und Vielfalt der geborgenen Funde für Berlin einzigartig“, heißt es. Über 200 große Kartons voll mit Töpfen, Spielzeug, Kleidung und anderen Hausrat haben die Teams in monatelanger Arbeit geborgen. 48 Kubikmeter Füllung aus dem Keller wurden gesiebt, um kleinste Objekte sichern zu können.

Gut erhaltene organische Fundstücke

Tausende Gegenstände lagen in der Grube und sind teils extrem gut erhalten. Vor allem die organischen Funde sind wegen der tonig-lehmigen Füllung im Inneren der Holzkonstruktion und dem Grundwasser noch vorhanden. Allein über 1000 Lederfragmente, vollständige Schuhe und Stiefel, teilweise mit modischen Metallschnallen, sowie schicke Kleidung mit Stickmuster konnten die Forscher retten. Hölzerne Steckkämme, Spangen und nobles Spielzeug wie Knochenwürfel und Murmeln aus Glas und Ton sowie ein winziges Wiegenpüppchen sind die Attraktionen. Dazu kommen große Fundmengen von Keramik, Vasen und Töpfen, Metallgegenständen wie Messern, Tierknochen, verzierte Trinkgläser und außerordentlich große Mengen an Fensterglas. 220 Kilogramm Scherben wurden in dieser Menge noch nie gefunden.

Landesarchäologe Matthias Wemhoff zeigtv Kultursenator Klaus Lederer die gefundenen Knochenwürfel.  | Foto: Dirk Jericho
  • Landesarchäologe Matthias Wemhoff zeigtv Kultursenator Klaus Lederer die gefundenen Knochenwürfel.
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Gezeigt wurde den Journalisten im Alten Stadthaus eine winzig kleine Auswahl der gefunden Gegenstände. Dass es sich bei dem Hausrat um die Hinterlassenschaften von wohlhabenderen Berlinern, möglicherweise von Adligen, handelt, scheint klar zu sein. Warum so große Mengen eines Haushalts des 15. Jahrhunderts etwa 50 Jahre nach Bau des Kellers dort hineinkamen, wissen die Experten noch nicht. Wahrscheinlich wurde die Holzkonstruktion, bei der es sich auch um eine Latrine handeln könnte, von den Herrschaften im Kiez später als Mülldeponie genutzt und in kurzer Zeit mit Alltagsgegenständen und Essensresten gefüllt. Was man nicht mehr modisch findet, nicht mehr braucht oder was defekt ist, wurde auch vor 600 Jahren entsorgt. Die Kirsch-, Weintrauben- und Pflaumenkerne sowie Nüsse sowie die Skelette von Katzen und Hunden würden auch erklären, dass die ehemalige Latrine später zum Müllloch wurde.

Möglicherweise einstige Latrine

Gegenüber der Fundstelle stand an der Klosterstraße das Hohe Haus (heute Parkhaus/Decathlon), bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts Residenz der brandenburgischen Markgrafen und Kurfürsten. Mit dem Bau des Berliner Schlosses verlor das Hohe Haus an Bedeutung. Möglicherweise haben Adlige und wohlhabende Bürger, die einen Steinwurf vom Residenzgebäude wohnten, ihren Müll in der Latrine entsorgt, weil sie an die Breite Straße näher zum Schloss gezogen waren. „Das könnte eine Erklärung sein“, sagt Grabungsleiter Eberhard Völker.

Zu den Funden gehörten auch viele Töpfe und Keramiken. | Foto: Dirk Jericho
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Zu sehen gibt es die einzigartigen Exponate erstmal nicht. Die Wissenschaftler würden die Fundstücke derzeit im Eingangsmagazin des Denkmalamtes erfassen und restaurieren, wie Landeskonservator Christoph Rauhut sagt. Später sollen bestimmte Teile vielleicht in archäologischen Fenstern gezeigt. Bisher sind etwa die Hälfte der zwei Hektar großen Grabungsfläche am Molkenmarkt erkundet. „Wir wissen ja nicht, was noch kommt“, sagte Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke). Besondere Funde sollen zukünftig im neuen Archäologischen Zentrum oder im Märkischen Museum gezeigt werden.

Bilder zur Grabung und den Funden sind zu sehen auf bwurl.de/18nohttps://www.berlin.de/landesdenkmalamt/aktivitaeten/kurzmeldungen/2022/zeitreise-ins-15-jahrhundert-aussergewoehnlicher-fund-auf-der-grabung-molkenmarkt-1258686.php.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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