Detailverliebter Plattenbau
Friedrichstadt-Palast unter Denkmalschutz gestellt
Im Jahre 1984 wurde der neue Friedrichstadt-Palast eingeweiht. Der künstlerische Plattenbau gilt als letzter der „Paläste fürs Volk“ vor dem Untergang der DDR. Das Landesdenkmalamt hat jetzt das Vorzeigetheater unter Denkmalschutz gestellt.
Der Sportpalast SEZ an der Landsberger Allee, der Pionierpalast in der Wuhlheide und der Palast der Republik zählen wie der Friedrichstadt-Palast zu den DDR-Palästen, in denen die SED-Oberen ihrem Volk etwas Besonderes bieten und die Attraktivität, Schönheit und Überlegenheit des Sozialismus demonstrieren wollten. 30 Jahre nach dem Ende der DDR bekommt jetzt der erfolgreiche Showpalast an der Friedrichstraße als letzter Repräsentationsbau vor der politischen Wende die Anerkennung als Baudenkmal. Für die Denkmalschützer ist das Ensemble „aus künstlerischen, geschichtlichen und städtebaulichen Gründen denkmalwert“. Den anderen Palast-Bauten der Ostmoderne wurde diese Ehre nicht zuteil.
Erichs Lampenladen war ebenfalls ein beeindruckender Bau, mit dem viele Ost-Berliner schöne Erinnerungen verbinden. Doch der 1976 eröffnete Palast der Republik wurde bis 2008 abgerissen. „Er hätte es verdient, unter Schutz gestellt zu werden, gäbe es ihn heute noch“, sagt Berlins oberster Denkmalschützer. Für Landeskonservator Christoph Rauhut war der Palast der Republik „aus heutiger Sicht sicherlich denkmalwert aus künstlerischen und historischen Gründen, und er hatte Bedeutung für das Stadtbild“. Für Rauhut bedeutet „der Abriss einen Verlust für die Berliner, ja die gesamtdeutsche Architekturlandschaft. Wir haben mit ihm ein sehr bedeutendes Zeugnis der Nachkriegsarchitektur und der deutsch-deutschen Geschichte in Zeiten des Kalten Krieges verloren“, so der Landeskonservator.
Anklänge von Jugendstil
Umso schöner, dass es jetzt der Friedrichstadt-Palast in die Denkmalliste geschafft hat. Nach nur 39 Monaten Bauzeit wurde der 1984 eröffnet. Die Architekten Manfred Prasser, Jürgen Ledderboge und Walter Schwarz hatten für die Baudirektion Hauptstadt Berlin des Ministeriums für Bauwesen unter Leitung von Generaldirektor Erhard Gißke einen hochmodernen Plattenbau mit modernster Bühnentechnik entworfen. Der Palast zeigt Anklänge an Jugendstil und Art Déco und sollte eine Hommage an die Zeit der Revuen vor dem Ersten Weltkrieg und in den „Goldenen Zwanzigern" sein.
Die Denkmalschützer haben alle Bereiche des Gebäudes – von der Fassade über Foyer und Zuschauersaal bis zur Bühne – unter Schutz gestellt. „Es ist ein Plattenbau mit sehr viel Liebe zum Detail“, sagte der Intendant des Friedrichstadt-Palastes, Berndt Schmidt, bei der Übergabe der Denkmalplakette durch Kultursenator Klaus Lederer (Linke). Beeindruckend ist die Qualität. „Der Friedrichstadt-Palast zeigt das hohe technische Können der Plattenproduktion zu dieser Zeit. Die Sichtbetonplatten an der Fassade wirken wie Werkstein, die großen Betonglaselemente sind dekorativer Blickfang, Lichtreklame und stimmungsvolle Innenraumbeleuchtung zugleich“, sagt Christoph Rauhut. Die 25 000 bunten Glasbausteine in der Fassade sorgen tagsüber für besonderes Licht im Inneren und nachts für Strahlkraft nach außen. Der Bau war eine Aufgabe für die ganze DDR-Wirtschaft. Viele volkseigene Betriebe mussten beisteuern, was sie konnten – Sand, Beton, Stahl oder Lampen.
Markant sind die Leuchten aus Glasröhrenbündeln im Foyer. Sie sollten an die Tropfsteinhöhle im Vorgängerbau, dem 1919 eröffneten Großen Schauspielhaus von Max Reinhardt, erinnern. Die Improvisationstalente in den DDR-Betrieben haben dazu einfach Glasröhren aus Milchkombinaten verwendet, durch die ansonsten Milch aus den Melkständen floss. Die wurden ein bisschen verätzt, so dass sie den Look von Stalaktiten bekommen. Es ist nicht immer ganz einfach, wenn diese Unikate heute ersetzt werden müssen, denn Ersatzteile gibt es nicht mehr.
Noch bis zum 2. Januar ist die Bühne, auf der seit Jahren international erfolgreiche Shows laufen, wegen Corona geschlossen. Der Senat hat für die Landesbühne die Sanierung der alten Lüftungsanlage in der Zwangspause vorgezogen. Die Lüftung hat fast 40 Jahre auf dem Buckel. „Wir wollen ja kein DDR-Technikmuseum sein“, sagt Berndt Schmidt. „Eine leistungsfähige Lüftungsanlage ist in diesen Zeiten – Stichwort Aerosole – ein Geschenk des Himmels beziehungsweise des Steuerzahlers“, so Schmidt.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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