Das Megaprojekt hinter der Mauer namens Otto
Für das DAU-Kunstevent wird eine Kopie des DDR-Grenzwalls aufgestellt

DAU-Produzentin Susanne Marian, Tom Tykwer und Thomas Oberender bei der Vorstellung. | Foto: Dirk Jericho
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In Mitte soll am 12. Oktober hinter einer kilometerlangen Fake-Mauer die Weltpremiere für den DAU-Parcours gefeiert und ein wochenlanges Sozialexperiment gestartet werden.

3,60 Meter hoch, 1,20 Meter breit, über zwei Tonnen schwer und mit der typischen Betonrolle oben drauf. Über 900 Segmente dieser dem DDR-Original exakt nachgebauten Mauer werden derzeit aus Beton gegossen. Sie sollen am 12. Oktober zum Start des DAU-Projektes in einer einzigen Nacht um das riesige Areal zwischen Spreebrücke, Unter den Linden, Bebelplatz inklusive Staatsoper, Hedwigskathedrale, Bauakademie und Schinkelplatz aufgestellt werden. Noch gibt es dafür keine Genehmigungen; und vorstellen kann sich auch keiner, wie so etwas zu wuppen sein soll.

"Otto" statt Grenzwall

Gerald Ponesky, der für das spektakuläre Kunst-, Film- und Theaterprojekt des russischen Regisseurs Ilya Khrzhanovski zuständig ist, hat ein Team von 250 Arbeitern für den Tag des Mauerbaus angeheuert. Otto hat er die Mauer projektintern getauft – klingt netter und gibt etwas Abstand zum DDR-Original mit der blutigen Geschichte. Schließlich ist Ponesky in der DDR aufgewachsen und will keine neue Mauer.

Das will natürlich niemand, betonen die Macher des Kunstspektakels. Hinter der Mauer soll eine „Stadtinstallation“ entstehen, ein „Erlebnisraum“. Es geht nicht darum, die DDR zu rekonstruieren“, sagt Berliner Festspiele-Intendant Thomas Oberender als Veranstalter. Die Macher wollen eine „Welt kreieren außerhalb der Realität“, wie Produzentin Susanne Marian sagt. Es gehe nicht darum, eine „visuelle Referenz zur Sowjetunion oder der DDR herzustellen.“

Marian hat mit Filmregisseur Ilya Khrzhanovski das 700-Stunden-Multimediaprojekt DAU erarbeitet. Aus dem Filmmaterial, das zwischen 2009 und 2011 in einer abgeschotteten Kulissenstadt in der Ostukraine gedreht wurde, wurden bisher 13 Spielfilme und etliche Serien geschnitten. Ursprünglich wollte Khrzhanovski einen Film über den Physiker und Nobelpreisträger Lev Landau (1908-1968) drehen, der für die Sowjetunion in einem geheimen Labor forschte. Dafür wurde das „Institute“, ein gigantisches Labor- und Filmset in Charkiw, gebaut. Über 400 Menschen gingen hier 2009 auf Zeitreise zurück in die Sowjetunion. Gab es anfangs noch Dialoge und gestellte Filmszenen, entwickelte sich das DAU-Projekt zur Langzeitdoku.

Aus dem Material haben die Macher Projektwelten gebaut, um den Leuten das DAU-Projekt nahezubringen. In Berlin steht die Installation unter dem Titel „Freiheit“; danach sollen weitere Stationen im November in Paris („Brüderlichkeit“) und im Dezember in London („Gleichheit“) folgen. Insgesamt 6,6 Millionen Euro kostet das Kunstspektakel und wird vom Phenomen Trust, einer Stiftung des russischen Unternehmers Sergey Adoniev, finanziert.

In der Kunstwelt hinter der DDR-Fake-Mauer sollen nicht nur die „Institute“-Filme gezeigt werden. Es gibt Gespräche, Konferenzen und Konzerte. Rein kommt man nur, wenn man online ein Visum beantragt, das in der Tiefgarage unter dem Bebelplatz ausgegeben wird. Die Besucher sollen sich wie bei der Einreise in ein fremdes Land fühlen. Das Visum wird für zwei Stunden (15 Euro), einen Tag (25 Euro) und den vierwöchigen Gesamtzeitraum (45 Euro) ausgestellt. Maximal 3000 Visa sollen täglich ausgestellt werden.

Visa für die Parallelwelt

Es gibt keine Kostüme; die Besucher können die Stadtsimulation jederzeit verlassen. Wer rein geht, muss aber sein Handy abgeben und bekommt dafür ein „DAU-Device“. Das ist ein Smartphone ohne Netz, dass die Leute steuert und eine persönliche Vorschlagsliste generiert. Sie zeigt, was man als nächstes in der DAU-Welt machen kann. Jeder soll eine persönlich kuratierte Reise erleben und „die unvorstellbare Geschichte von DAU durchleben“, wie Starregisseur Tom Tykwer bei der Projektvorstellung sagte. Seine Firma X Filme unterstützt das Megaprojekt. Veranstaltungsorte sind der Schinkelpavillon, die Bauakademie, die Barenboim-Said-Akademie, das Parkhaus und diverse Freiflächen.

Der Betrieb aller Institutionen innerhalb der gesperrten Zone soll ungehindert weitergehen. Anwohner, Besucher und Mitarbeiter bekommen Extra-Zugänge, die Bewohner der rund 70 Wohnungen innerhalb der Parallelwelt eine kostenlose Ehrenbürgerschaft. Das DAU-Projekt sollte ursprünglich in und um die Volksbühne stattfinden. Mit dem Abgang von Intendant Frank Castorf hatte sich das erledigt. Am 9. November, dem 29. Jahrestag des Mauerfalls, soll die Fake-Mauer eingerissen werden. Die Mauer wird während es Projektes von Künstlern gestaltet. Mauerspechte sollen sich am Ende Teile herausklopfen.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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