Für die Kapelle der Versöhnung wurde eine ganz spezielle Orgel gebaut
Mitte. Diese Orgel gibt es nicht noch mal. Im früheren Grenzstreifen erklingen jetzt Orgeltöne, die jeweils einem Land der ehemaligen Alliierten zugeordnet wurden.
England klingt sehr satt, warm und voll. Ein schwebender, heller, sphärischer Klang durchflutet die Kapelle, wenn Kirchenmusikerin Annette Diening das Register „Vox coelestis“ spielt, das für die USA steht. Frankreich ist hochtönig und klingt wie eine Oboe. Und wenn die Russland-Pfeifen ertönen, klingt es so, als ob Diening auf einem Bajan (Akkordeon) orgelt.
Das ist eine Weltneuheit, wie Thomas Jeutner, Pfarrer der Versöhnungsgemeinde, sagt. „Es ist ein Wunder, dass wir als kleine Gemeinde so ein Instrument bekommen“, so Jeutner. Nach fünf Jahren Planung bauen die Experten der Orgelbauwerkstatt Karl Schuke nun seit Wochen die eigens für die Kapelle der Versöhnung entwickelte Orgel ein. Zum St.-Michaelistag am 29. September wurde das Prachtstück mit einem Festgottesdienst eingeweiht.
Möglich wurde das einzigartige Projekt durch die Spende einer wohlhabenden Berliner Familie, die nicht genannt werden möchte. Aber auch viele kleine Spenden und die Unterstützung der Beck‘schen Stiftung will Kirchenmusikdirektor Michael Bernecker nicht unerwähnt lassen. Der Orgelsachverständige hat die 2012 ins Leben gerufene Orgelfachkomission geleitet. Insgesamt 250.000 Euro hat die Maßanfertigung gekostet. Die Idee für die Orgel stammt von der langjährigen Organistin der Versöhnungsgemeinde und Frau des verstorbenen Gemeindepfarrers Manfred Fischer, Heidrun Albert.
Die Klangfarben im Gedanken der Versöhnung den einstigen Besatzungsmächten zuzuordnen, war Andreas Sielings Vorschlag. Der Organist des Berliner Doms war Mitglied der Orgelkommission. Mit insgesamt 27 Registern, neun Pfeifenreihen und 552 Pfeifen ist die Allierten-Orgel eher eine kleine. Die Planer mussten auch viele Vorgaben des Architekten der 2000 eröffneten Lehmkapelle, Peter Sassenroth, beachten. Er wollte keine Barockorgel sondern eine in Kubusform, die zur Formensprache in der schlichten Kapelle passt. Auch durfte das Pfeifenarsenal samt Computertechnik nicht schwerer als 1,7 Tonnen sein. Die Empore, auf der die Orgel steht, liegt ohne Extra-Stützpfeiler auf den Stampflehmwänden. So mussten die Planer immer wieder die Menge an Pfeifen reduzieren. Die Pfeifen aus einer Zinn-Blei-Legierung sollten auch nicht zu dicht an der Balustrade stehen, damit sie optisch nicht überkippen.
Die alte, 1965 erbaute Walcker-Orgel, die Jahrzehnte im Gemeindesaal an der Bernauer Straße und seit 1999 mit dem Umzug in der Lehmkapelle gespielt wurde, hat die Versöhnungsgemeinde nach Russland als „Gabe der Versöhnung“ verschenkt, weil die Kapelle im ehemaligen Grenzstreifen des russischen Sektors steht. Kirchenmusiker Grigori Warschavski von der Musikschule Rimski Korsakow in St. Petersburg unterrichtet jetzt darauf seine Orgelschüler. DJ
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.