Bundestag beschließt Dokumentationsort
Gedenkstätte für Europas Opfer der deutschen Besatzungsherrschaft geplant

In Berlins Zentrum soll eine weitere Gedenkstätte über die Schrecken des Naziregimes entstehen. Der Bundestag hat grünes Licht für ein Dokumentationszentrum „Zweiter Weltkrieg und deutsche Besatzungsherrschaft in Europa“ (ZWBE) gegeben.

Die Entschließung wurde am 19. Oktober mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU, Grüne und FDP angenommen. Die Fraktionen der AfD und Linken haben sich enthalten. Das neue Zentrum soll „die Geschichte der deutschen Besatzungsherrschaft in Europa während des Zweiten Weltkriegs dokumentieren, Wissen über die historischen Ereignisse vermitteln und Raum für Gedenken an die Opfer bieten“, heißt es im Beschluss.

Der Krieg in Europa und die deutsche Besatzungsherrschaft haben riesiges Leid in allen ehemals besetzten Ländern gebracht. Diese Gebiete erstrecken sich über 27 heutige europäische Staaten sowie Teile Nordafrikas. Im Dokumentationszentrum ZWBE sollen diese bisher weniger beachteten Opfer im Mittelpunkt stehen. „In den meisten besetzten Ländern sind mehr Menschen Opfer dieser Besatzungsherrschaft geworden als Soldaten im Krieg gegen das Deutsche Reich getötet wurden“, heißt es im Beschluss. Insgesamt 230 Millionen Menschen litten Ende 1942 unter der deutschen Besatzung. „Von den etwa 40 Millionen Menschen, die dem Zweiten Weltkrieg in Europa zum Opfer fielen, waren mehr als die Hälfte zivile Opfer“, steht im Beschluss. Zur Schreckensherrschaft der Nazis „gehörten Mord und Genozid, sexualisierte Gewalt, medizinische Experimente an Menschen, Zwangsarbeit, Raub und Plünderung, Zerstörung von Wohnstätten, Kulturgütern und Infrastruktur, Lagerhaft und Hunger, Ausbürgerung und die damit verbundene Staatenlosigkeit“.

Das geplante ZWBE entsteht unter Federführung des Deutschen Historischen Museums (DHM). Wo das neue Nazi-Dokumentationszentrum entstehen soll, ist derzeit völlig offen. Mit dem Beschluss wird die Bundesregierung aufgefordert, „ein geeignetes Grundstück im Zentrum Berlins zu finden und zur Verfügung zu stellen“, heißt es im Bundestagsbeschluss. Im 61-seitigen Realisierungsvorschlag des Deutschen Historischen Museums, den die Regierung „umfassend und zügig umzusetzen“ soll, wird ein Neubau für das ZWBE favorisiert. „Es kann aber auch ein Bestandsgebäude sein“, sagte der Chef der DHM-Stabsstelle zur Errichtung des Dokumentationszentrums ZWBE, Raphael Utz.

Das Zentrum „Zweiter Weltkrieg und deutsche Besatzungsherrschaft in Europa“ wurde bereits in der vergangenen Wahlperiode im Oktober 2020 im Bundestag beschlossen. Die jetzige Entschließung ist der Start für die konkrete Umsetzung. Das DHM geht in seinen Planungen von 15 000 Quadratmetern Fläche für eine ständige und wechselnde Ausstellungen, Veranstaltungen, Tagungen, Bibliothek, Lesesaal und einem „Raum für individuelles Gedenken und Reflexion“ aus. Die Planer kalkulieren mit einer Dreiviertel Million Besucher pro Jahr.

Die Kosten für einen geeigneten Neubau für das Dokumentationszentrum ZWBE werden auf 120 Millionen Euro geschätzt. Für die Dauerausstellung sind 14 Millionen Euro geplant. Um die neue Gedenkstätte zu betreiben, rechnet das DHM mit mindestens sechs Millionen Euro jährlich an festen Personalkosten.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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