"Abschied mit persönlicher Note"
Interview mit den Bestatterinnen Asta Maria Krohn und Helena Giuffrida
In Berlin gibt es mehr als 300 Bestatter. Ganz klassisch kümmern sie sich um den Verstorbenen und seine letzte Ruhe. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Berliner Woche hat zwei moderne Bestatterinnen getroffen, für die der Beruf mehr bedeutet, als nur Särge zu verkaufen. Mit Asta Maria Krohn und Helena Giuffrida sprach Berliner-Woche-Reporterin Ulrike Kiefert.
Was macht einen modernen Bestatter, eine moderne Bestatterin aus?
Asta Maria Krohn: Sich sehr viel Zeit zu nehmen für die Hinterbliebenen und zwar nicht nur zur Bürozeit. Denn für sie ist der Tod eines geliebten Menschen die wohl schrecklichste Zeit in ihrem Leben. Zuzuhören, ihre Bedürfnisse im wahrsten Sinn des Wortes zu erspüren und in Einklang zu bringen mit dem, was sich der Verstorbene für seine Beerdigung gewünscht hätte. Auch über diverse Optionen zu informieren und vor allem zum Abschied am Totenbett zu motivieren, das macht uns als zeitgemäße Bestatterinnen aus. Wir sind ein kleines Unternehmen und nehmen uns die Zeit, die wir brauchen und die die Hinterbliebenen brauchen. Ein größeres Bestattungsunternehmen steht da mehr unter Druck. Da geht es um die Anzahl der Sterbefälle und ums Vorsorgen. Wir können alles so machen, wie wir wollen und geben viel Zeit in die Beziehung zu den Sterbenden und den Hinterbliebenen. Dadurch entstehen enge und vertrauensvolle Bindungen über Wochen und Monate. Die Hinterbliebenen blicken später nicht nur mit Trauer, sondern auch mit Dankbarkeit auf diese Zeit zurück, in der wir sie begleitet haben.
Helena Giuffrida: Uns interessiert, wer war der Verstorbene. Man verabschiedet sich ja nicht von einem Toten, sondern von jemandem, der eine Geschichte hatte. Natürlich wissen wir vorher nicht, was uns erwartet, welche emotionale Beziehung die Angehörigen zum Verstorbenen haben. Wir lassen uns auf die jeweilige Stimmung ein, ohne zu bestimmen oder uns einzumischen. Das unterscheidet uns von großen Bestattungsinstituten. Wir setzen kein antrainiertes Trauerface auf, wir sind echt. Und wir sind auch in anderer Hinsicht modern, denn wir sprechen auch Italienisch, Englisch und Niederländisch.
Moderne Bestatter bieten also mehr als Service und Särge?
Asta Maria Krohn: Modern oder auch alternativ zu sein, bedeutet für uns vor allem, dass wir das, was am Lebensende passiert, als Einheit sehen und da ist das Bestatten nur ein Punkt unter mehreren. Unsere Arbeit beginnt oft mit der Begleitung am Sterbebett, gefolgt vom Abschiednehmen der Hinterbliebenen am Totenbett, dann alles, was zu einer gelungenen Beisetzung und Trauerfeier führt, und auch danach sind wir weiterhin Ansprechpartner für die Hinterbliebenen. Denn wenn die Bestattung vorüber ist, ist die Trauer noch lange nicht vorbei. Letztlich geht es um den Abschied eines Menschen, den es nur einmal gab. Dieser Gedanke motiviert uns ungemein. Dass das Abschiednehmen vielen Menschen wichtig ist, haben wir gerade in Zeiten der strengen Pandemie-Regeln gesehen, als sich viele eben nicht von ihren sterbenden oder toten Angehörigen verabschieden konnten. Die moderne Bestattung ist ein Abschied mit persönlicher Note. Sie sollte wie die Trauerfeier der Persönlichkeit des Verstorbenen entsprechen. Alte Rituale mit in unsere Arbeit einzubinden, ist für uns kein Widerspruch, im Gegenteil. Es geht nicht darum, das Rad neu zu erfinden, sondern darum, Modernität und Traditionen angemessen zu vereinen.
Früher bekam jede Familie von der Kirche einen Platz auf dem Friedhof zugewiesen. Heute ist das anders. Viele Menschen wollen individuellere Wege der Bestattung gehen. Macht das den Beruf nicht anstrengend?
Helena Giuffrida: Wir versuchen, jeden Wunsch zu erfüllen. Da muss man mitunter auch improvisieren, eigene Ideen realisieren. Wir haben zum Beispiel mal für eine italienische Familie eine Schmuck-urne aus den Hemden des verstorbenen Sohnes und des Ehemanns genäht. Der Mann war später gestorben und sollte neben seinem Sohn beerdigt werden. Über die Schmuckurne sind beide nun quasi wieder miteinander vereint. Eine Verstorbene liebte Pferde, Katzen und Sonnenblumen. Also haben wir Sonnenblumen dicht an dicht an den Sarg getackert, ihn auf Strohballen gestellt und Kätzchen aus Holz schnitzen lassen, die dann neben dem Sarg standen. Das haben die Angehörigen als sehr tröstlich empfunden.
Asta Maria Krohn: Wie Helena sagt, wir versuchen, alles irgendwie möglich zu machen. Und daraus wächst oft eine besondere Kreativität. Wir haben vor einer Totenfürsorge, vor der sich die Ehefrau doch etwas fürchtete, erstmal alle mit einem Grappa auf den Verstorbenen angestoßen. Das war zwar ungewohnt morgens um zehn, aber ihre Angst hatte sich verflüchtigt, und nach dem gemeinsamen Waschen und Ankleiden haben wir dem Mann nochmals per Grappa eine gute Reise gewünscht. Also im Gegenteil. Es ist immer reizvoll, nicht auf ausgetretenen Pfaden wandeln zu müssen.
Wohin geht der Trend bei den Bestattungsformen?
Asta Maria Krohn: Wir haben mehrheitlich die klassischen Feuerbestattungen. Hinzu kommt der Wunsch, auf einem Friedwald beerdigt zu werden. Außerdem haben wir die Erfahrung gemacht, dass sich viele Hinterbliebene, vor allem Frauen, eine Bestatterin wünschen. Vielleicht haben sie in ihrem Beruf erlebt, dass Frauen verständiger sind und sich mehr Zeit nehmen.
Belastet der Beruf Sie emotional?
Asta Maria Krohn: Nein, nicht wirklich beziehungsweise eher punktuell in einer besonders emotionalen Situation. Wir fühlen mit den Hinterbliebenen, aber es ist eben nicht unser Leid.
Helena Giuffrida: Ohne Empathie kann man diese Arbeit nicht machen. Wenn eine Mutter am Grab ihrer Tochter weint, lässt mich das nicht unberührt. Trotzdem lieben wir beide unseren Beruf. Einen Verstorbenen angemessen auf den letzten Weg zu bringen und damit auch die Hinterbliebenen zu unterstützen, das ist etwas sehr Schönes.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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