Jetzt ist jeder Bär: Historischer Bärenzwinger ist jetzt Kunstort
Außer den bezirklichen Tierpflegern konnte Jahrzehnte niemand rein in Berlins berühmten Bärenzwinger im Köllnischen Park. Nach dem Tod der letzten Stadtbärin Schnute am 11. Oktober 2015 wurde viel über die Zukunft des Baudenkmals debattiert. Seit September gibt es dort Kunstinstallationen.
Aus den drei Bärenkäfigen kommt ein Klickern. Wenn man reinschaut in die stockdunklen Zellen, nur ein paar Quadratmeter groß, erkennt man in der Ecke einen Fellhaufen. „Das Klickern sind Beatmungsgeräte“, sagt Angelina Gollan. Sie ist eine der mehr als zehn „Live Speaker“, wie sich die Mitarbeiter vom Kulturamt, die meisten Studenten, bezeichnen. Gollan und ihre Kollegen sind seit September in der historischen Anlage und erklären den Besuchern die Räume und die Kunstprojekte.
Die Fellberge mit den Beatmungsgeräten darunter sind Teil der Multimediainstallation des Künstlerkollektivs Neozoon. Fur Agency heißt die Ausstellung, die aus dem seit Jahren umstrittenen Tiergefängnis eine „Pelzagentur“ macht. Die Soundcollagen sind Kritik an dieser Art der Tierhaltung. Aus den Lautsprechern draußen kommen auch Tonmitschnitte von Zoobesuchern aus der ganzen Welt, aufgenommen an den Zäunen der Tiergefängnisse. Der Besucher soll die Perspektive einnehmen, die die Bären hatten. Wer will, kann sich auch mal in einem der drei Käfige einschließen lassen. „Das ist schon sehr bedrückend hier und erstaunlich klein“, sagt auch Angelina Gollan.
Wenn kein Besucher da ist, sitzt sie im unveränderten Minibüro der Tierpfleger und wartet. Manchmal kommen nur eine Handvoll den ganzen Tag, manchmal bis zu 100. Beim ersten Teil der Neozoon-Ausstellungsreihe „Bearly Legal“ haben die Künstler Tee gebrüht von Kräutern, die sie im Außengehege gefunden haben. In einem Käfig konnten die Besucher sogar saunieren; der Aufguss wurde mit Kräutern aus dem Rundgehege gemacht. Zum Abkühlen gings in die Wasserbecken, in denen zuletzt noch Schnute geplanscht hatte.
Nach jahrelangen Querelen um die Stadtbären und die von Tierschützern immer wieder geforderte Schließung des denkmalgeschützten Bärenzwingers hatte der Bezirk nach dem Tod der letzten Stadtbärin beschlossen, keine Tiere mehr aufzunehmen. Das Bezirksamt wollte den Zwinger eigentlich loswerden, weil er nur Kosten verursacht. Die Räume wurden auch dem Märkischen Museum angeboten, doch für die Kuratoren dort waren die Außenanlagen und die insgesamt nur 90 Quadratmeter großen Innenräume – drei Bärenkäfige, eine Toilette und das Pflegerbüro – viel zu klein. Der Zwinger gehört jetzt zum Kulturamt und soll zu einem „kulturellen Lern- und Lehrort sowie zur Wissensplattform für Stadtkultur entwickelt werden“, wie es heißt. Bis 2019 gibt es 110 000 Euro aus dem Senatsprogramm „Spartenoffene Förderung“. Wie es danach weitergeht, ist unklar. Der Bezirk plant aber, „den Bärenzwinger über den Projektzeitraum hinaus als Kulturstandort zu verstetigen“, teilt die Pressestelle mit.
Im berühmten Bärenhaus wurden fast 80 Jahre lang Braunbären, Berlins Wappentier, eingesperrt und den Parkbesuchern in der Anlage präsentiert. Das erste Bärenpaar war ein Geschenk der Stadt Bern anlässlich der 700-Jahrfeier Berlins 1937. Urs und Vreni zogen in den am 17. August 1939 eröffneten Bärenzwinger. Der Architekt Georg Lorenz hatte dafür das für die Stadtreinigung im Köllnischen Park von Ludwig Hoffmann errichtete Backsteingebäude zum Bärenzwinger um- und ausgebaut. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Bärenzwinger verschüttet; damals lebten sogar fünf Tiere dort. Bis auf Lotte, die in den Zoo kam, starben alle bei dem Angriff. 1947 gab es neue Bären aus Leipzig: Nante (1947-1979) und Jette (1948-1984). Taps (1981-1990) war krank und wurde eingeschläfert. Nach der Wende stand der marode Zwinger wieder vor dem Aus. Private Spender ermöglichten schließlich eine Restaurierung. Der Verein Berliner Bärenfreunde hat sich seit 1994 um den Bärenzwinger im Köllnischen Park, die Berliner Bärengeschichte und um die letzten Insassen gekümmert. Der letzte Stadtbär Tilo (1990-2007) wurde krebskrank eingeschläfert. Erste Berliner Stadtbärin wurde dann Schnute, die 1981 einzog und am 11. Oktober 2015 ebenfalls krankheitsbedingt eingeschläfert werden musste. Vor ihr war ihre Tochter Maxi (seit 1986 im Zwinger) im August 2013 verstorben. Alle Daten zu den Bären gibt es auf der Website der Berliner Bärenfreunde. Vereinschefin Christa Junge beklagt, „dass das Bezirksamt bis heute nicht die historischen Fakten korrigiert hat, obwohl wir schon am 1. September darauf hingewiesen haben“.
Der Bärenzwinger ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Die Kunstinstallation Fur Agency ist bis 5. Januar aufgebaut. Der Eintritt ist frei.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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