Hotel ABACUS | Kommentar zum 170. Geburtstag Hauptmann von Köpenick
Karneval oder doch kulturelles Erbe?

Schauspieler Peter Thomsen in seiner Rolle als Hauptmann von Köpenick | Foto: (c) Mateusz Jelinski
6Bilder

Soldatische Traditionen sind all überall immer noch höchst präsent und das gar nicht so sehr auf heutigen Kasernenhöfen. Sie zeigen sich vielmehr in nachgebildeten Schlachten aus der napoleonischen Zeit ebenso wie in Form zahlloser Ritterspiele wie etwa zu Ostern in Spandau. Auch der Karneval ist nicht frei davon und lässt seine Garden gern in historisierenden Uniformen durch die Straßen seiner Hochburgen marschieren. Da fühlt sich mancher Elferrat wie ein Generalstab vor dem großen Kampf auch wenn nur mit Karamellbonbons geschossen wird.

Der Alte Fritz und der Hauptmann

Außerhalb der Höhepunkte des großen Feierns sind besagte Traditionen auch sichtbar in Gestalt historischer Persönlichkeiten, die zu Stein erstarrt oder aus Metall gegossen auf öffentlichen Plätzen herumstehen wie der Alte Fritz vorm Schloss Sanssouci oder der Hauptmann von Köpenick vorm dortigen Rathaus ...

Doch halt – diese Beiden repräsentieren keineswegs das Gleiche, sondern sind in Bezug auf das Soldatische eher Gegensätze wenn nicht gar Gegenspieler. Während der Eine das Werk des Soldatenkönigs zunächst widerwillig, dann aber mit voller Konsequenz fortsetzte, was im Ergebnis zur Militärkaste des Kaiserreichs führte, nutzte der Andere die entsprechende Gehorsamsmasche unverfroren und höchst zielstrebig für die eigenen Zwecke aus. Dieser hergelaufene Schuster aus Tilsit (verkleidet mit einer nicht mal korrekten Uniform) war bestimmt kein Rebell und schon gar nicht ein Revolutionär – nur ein olles Schlitzohr, das vielleicht ungewollt aber höchst anschaulich die Schwächen einer reinen Kommandostruktur offenlegte. Über diesen Coup des Wilhelm Vogt lachte damals nicht nur die halbe Welt, sondern fast die ganze und die Berliner Zeitungen, in ihrer Mehrzahl nicht gerade militärfreundlich eingestellt, zeigten in dicken Lettern und ironischen Artikeln ihre unverhohlene Freude an dieser knackigen Story.

Historische Person und kulturelle Persönlichkeit

Nein, dieser geniale Hochstapler im Hauptmannskostüm blieb nicht nur eine Erscheinung seiner Zeit, sondern überdauerte diese bis in unser Tage und es ist durchaus damit zu rechnen, dass ihn auch die Zukunft noch kennen wird. Auf alle Fälle ist er bis heute allgemein bekannter als die meisten Militärstrategen, deren dicke Fachbücher nur von anderen Strategen gelesen werden – angeblich. Der Schuster Wilhelm Vogt aber wurde als Hauptmann von Köpenick kurz nach seinem Paradestück sofort zum Popstar, zur literarischen Person und zur zentralen Figur von Theaterstücken und Filmen.

Im Zuge dessen entwickelte sich im Laufe der Jahrzehnte aus der historischen Person eine kulturelle Persönlichkeit, die als solche auch immer wieder Züge der jeweiligen Zeit verinnerlichte. Damit entfernt sie sich jedes Mal ein Stück weit von den konkreten Ereignissen des Jahres 1906 und der Skulptur vor dem Köpenicker Rathaus, aber auch von allen Ritterspektakeln, die sich lediglich bemühen, historische Schlachten nachzuspielen. Doch genau deswegen wird der Hauptmann von Köpenick als kulturelle Persönlichkeit unsterblich und zum allgemeinen Kulturerbe außerhalb aller Karnevalsumzüge - auch wenn aus der ganz großen Anerkennung wegen möglicherweise fehlerhaft ausgefüllter Anträge nichts geworden ist.

Autor:

NetzStamm | Elmar F. Michalczyk aus Mitte

+49 175 8148028
redaktion@wickedertalk.de
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

3 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 517× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 805× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 783× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 1.166× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.