Hundert bunte Mahnmale
Kunstaktion "100 Boote für 100 Millionen Flüchtlinge" zieht weiter nach Brüssel
Über 100 riesige Papierboote standen einen Tag lang im Berliner Lustgarten – und erzählten von täglichen Dramen. Organisiert hat die Kunstaktion zum Weltflüchtlingstag die Awo Sachsen-Anhalt. Nächstes Jahr sollen die Boote das EU-Parlament in Brüssel fluten.
Der Lustgarten ist voller bunter Boote. Gigantisch groß locken sie massenhaft vor allem die Touristen an. Kameras blitzen für Selfies und Gruppenfotos. Mittendrin laufen junge Leute in knallroten T-Shirts herum und antworten auf neugierige Fragen. Auch Hendrik Hahndorf trägt heute Rot und eine „100“ auf der Brust. Die Zahl steht für die 110 Origami-Boote, die rund 600 Freiwillige in ganz Deutschland gefaltet haben. „Mit so viel Resonanz hatten wir gar nicht gerechnet“, muss Hahndorf zugeben. Er ist der Vorstandschef der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Sachsen-Anhalt, der Initiatorin für die einmalige Kunstaktion vor dem Berliner Dom.
Zwei bis fünf Meter lang sind die Boote, jedes gut 30 Kilogramm schwer. Die bunten Farben machen sie fröhlich, doch das täuscht. Die XXL-Boote sind eine Metapher für das tägliche Flüchtlingsdrama. Gefaltet aus Folien für Tetra Paks sind sie fragil, ein Windstoß pustet sie um – niemand würde hier einsteigen und übers Meer schippern. Deshalb sind die Boote als Mahnmal zu verstehen, erklärt Hahndorf, als Zeichen der Solidarität für die Geflüchteten und ihre meist traurigen Schicksale.
Die Idee zu der sozialkritischen Aktion zum Weltflüchtlingstag hatte vor einem Jahr der Koordinator für ehrenamtliches Engagement der Awo Sachsen-Anhalt, Ruben Herm. Tipps holte er sich vom Künstler Frank Bölter, den seine Performances in Form von groß angelegten Faltaktionen bekannt gemacht haben. Bölter faltete zum Beispiel eine zwölf Meter große Friedenstaube. Eine niederländische Firma stieg mit ein und spendete der Awo die Tetra-Pak-Folien. Mitte August 2023 begannen dann Freiwillige in Sachsen-Anhalt mit dem Falten der Boote. Auch Hendrik Hahndorf hat Hand angelegt. Über die anderen Awo-Landesverbände wurden die Blanko-Boote dann an 122 Kitas, Schulen, Organisationen, Vereine und Wohlfahrtsverbände in ganz Deutschland verteilt, bemalt und mit Botschaften beklebt.
Die Kunstaktion dauerte in Berlin nur einen Tag. Eine Eintagsfliege soll sie aber nicht bleiben. Denn weltweit sind mehr als 110 Millionen Menschen auf der Flucht vor Kriegen, Hunger oder Naturkatastrophen. Für viele von ihnen endet die Flucht tödlich. Deshalb gehen die Boote jetzt erstmal dorthin zurück, wo sie bemalt wurden. „Dort werden sie dann zum Beispiel in den Rathäusern ausgestellt“, so Hendrik Hahndorf. Später, Anfang 2025, sollen sie dann das Europäische Parlament in Brüssel fluten, so der Plan. Als Mahnmal und Zeichen der Solidarität.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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