Fluchttunnel wird Bodendenkmal
Landesdenkmalamt sichert unterirdisches Bauwerk
Der Anfang Juni an der Bernauer Straße entdeckte Fluchttunnel wird zum Bodendenkmal. Die Familie eines Bauarbeiters wollte 1970 von Ostberlin durch den Tunnel in den Westen fliehen.
Allein an der Bernauer Straße gab es mindestens zwölf Anläufe für Fluchttunnel in den Westen. Einer war wie berichtet unlängst bei Bauarbeiten für ein Neubauprojekt der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) auf dem früheren Grenzstreifen unter der Bernauer Straße 26 entdeckt worden. Inzwischen sind mehr Details bekannt. Offenbar legten Westberliner Bauarbeiter im Frühjahr 1970 den unterirdischen Weg in der Bernauer Straße 80 an, um die Familie eines Arbeitskollegen nach drüben zu holen. Doch der Plan flog auf. Anfang Mai unterrichtete die Stasi die DDR-Grenztruppen über den Tunnelbau. Um den Durchbruch der Fluchthelfer zu vereiteln, wurden die Kellerräume der Schönholzer Straße 20 bis 22 besetzt. Man ging davon aus, dass der Tunnel dort enden würde. Ob die Flucht durch den Tunnel gelang, ist nicht überliefert. Gefunden wurde jedenfalls nur ein etwa 50 Zentimeter breiter und zirka 70 Zentimeter hoher Hohlraum auf einer Länge von 13 Metern.
Der wurde nun mit Flüssigboden verfüllt. Um das kulturelle Erbe zu schützen, wie die WBM mitteilte. Die beauftragte archäologische Grabungsfachfirma archaeofakt hatte den Tunnel vorab weiter untersucht. Insgesamt wurden acht Kubikmeter Flüssigboden des Forschungsinstituts für Flüssigboden in den Hohlraum gefüllt. Der Flüssigboden ist laut WBM stichfest und lässt sich mit einer Schaufel wieder entfernen. Beim Verfüllen durch die drei Bohrlöcher wurden auch einige Hölzer aus dem Tunnel geborgen. Das Landesdenkmalamt will den Fluchttunnel nun als Bodendenkmal in die Denkmalliste aufnehmen, wie Berlins oberster Denkmalschützer Christoph Rauhut ankündigte.
Der Tunnel hatte eine Gesamtlänge von rund 80 Metern. Laut zeitgeschichtlichen Dokumenten verlief er von der Bernauer Straße 80 in die Schönholzer Straße 22. Die Adressen liegen schräg gegenüber, weshalb der Tunnel teils schräg, teils gerade und mit einer Biege nördlich der Schönholzer Straße 22 in den Dokumenten abgebildet ist. Der Fluchttunnel tangierte im Bereich der Sperranlagen zunächst die Sektorengrenze, dann die Grenzmauer der ersten Generation nach 1961, mehrere Sicherheitsbereiche, eine Höckersperre, den Postenkontrollweg und Signalanlagen. Unter der Bernauer Straße 26, wo er entdeckt wurde, und damit unmittelbar südlich der Grenzmauer verlief der Tunnel nur etwa zwei Meter unter der Kellersohle der Altbauten, die inzwischen abgerissen sind. Ob weitere Tunnelteile unterirdisch erhalten sind, ist dem Landesdenkmalamt nicht bekannt.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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