Der Faxer von Rodin
Neues Museum nimmt Bürokratie ironisch auf die Schippe
Aktenordner, Faxgeräte, Papierstapel: Die Deutschen sind berüchtigt für ihre Bürokratie. Welche unglaublichen Blüten sie treiben kann, zeigt das Bürokratie-Museum Berlin.
Wenn der Ausweis abläuft, die Anwohnerparkvignette verlängert oder ein Start-up angemeldet werden muss, hängt man drin in den Fängen der Bürokratie. Ein neues Museum nimmt den täglichen Behörden-Wahnsinn ironisch auf die Schippe und führt den Besucher durch den Paragraphendschungel des Beamtenapparats – vorbei an Riesenschnecken, Folterkammern und Mammutbäumen.
Schon vor dem Eintritt stößt der Besucher im Foyer auf die Behörden-Mühle: ein überdimensionaler Stapel aus 60 Aktenordnern. So viele Ordner braucht es in etwa, um eine Windkraftanlage zu beantragen. Der Gang ins Museum führt dann durch einen ausgehöhlten Mammutbaum. Er steht für die 52 Bäume, die jeden Tag für das Papier deutscher Bundesbehörden gefällt werden. Weiter geht es durch einen Dschungel voller Paragrafen, durch den sich der Besucher, genau wie das ganze Land jeden Tag kämpfen muss. Vorsicht, wer an nichts Böses denkt: Dort lauern überall Gesetzesfallen. Über einen „Warte-Warte-Warte-Warte-Warte-Raum“ führt der (Amts)Weg zum „Daddy Staat“, in dem sich die Besucher Paragraphen als Fesseln anlegen können, und gipfelt schließlich in einem Schneckenrennen vom Antrag bis zur Genehmigung. Einen Sprachkurs in Bürokratisch gibt es obendrauf. Und mittendrin steht eine berühmte Skulptur, den Kopf auf die Hand gestützt und als „Denker“ missverstanden: der Faxer von Rodin.
Gestaltet hat die Exponate im Bürokratie-Museum die Werbeagentur Thjnk. Die zündende Idee zur Pop-up-Ausstellung aber hatte die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), die über dem Museum ihre Büros hat. Die Lobbyorganisation von Arbeitgeberverbänden findet: Übermäßige Bürokratie nervt nicht nur die Bürger, sie schwächt auch den Wirtschaftsstandort Deutschland. Immerhin regeln aktuell knapp 1800 Bundesgesetze mit zirka 50 000 Einzelnormen das Leben in Deutschland. 43 Prozent der Bürger verspüren als Reaktion auf Bürokratie Wut. Ein Viertel fühlt sich ohnmächtig oder allein gelassen. Und immer mehr Unternehmen denken daran, abzuwandern. Laut INSM wollen 58 Prozent wegen zu viel Bürokratie nicht mehr in Deutschland investieren. Für Thorsten Alsleben, INSM-Geschäftsführer, „Museumsleiter“ und „Chefkurator“, hat die Ausstellung daher einen durchaus ernsten Hintergrund – trotz der witzigen Exponate. „Bürokratie ist im täglichen Leben erschreckend konkret, aber abstrakt in der politischen Debatte. Deshalb wollen wir sie anschaulich und spürbar machen“, erklärt Alsleben. Bürokratie sei mittlerweile überall. „Und jetzt auch endlich da, wo sie hingehört: im Museum.“
Das Bürokratie-Museum befindet sich in der Georgenstraße 22 am Bahnhof Friedrichstraße. Der Eintritt ist frei. Ein Ticket sollte man sich vorher online auf www.insm.de/buerokratiemuseum sichern. Wenn das Museum am 25. Juni schließt, "wird es hoffentlich ein großes Stück Bürokratie mitgenommen haben", so die Macher. Für immer.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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