Thomas Frahm - der Bulgarienreisende

Es ist ein regnerischer Montagabend. Zusammen mit meiner Begleitung befinde ich mich auf dem Weg zum Bulgarischen Kulturinstitut in der Leipziger Straße. Für mich ein bis dato unbekannter Ort. Auch war ich noch nie auf einer Lesung. Doch meine aus Bulgarien stammende Begleitung machte mir Mut. Der Autor komme aus Deutschland und wolle nur sein neues Buch vorstellen. Mit gemischten Gefühlen betrat ich den Veranstaltungsort.

Ein heller, freundlicher Raum erwartete uns. Herzlich wurden wir vom Autor begrüßt. Ein großer Stapel Bücher, der malerisch auf dem Klavier positioniert wurde, ließ mich einen Blick auf die Buchtitel erhaschen. Langsam bekam ich ein Bild von dem, was mich die nächsten gut zwei Stunden erwarten würde.

Nach und nach füllte sich der Tagungssaal. Zu Beginn der Lesung waren circa 45 Personen anwesend. Die Meisten von ihnen waren jenseits der Fünfzig und bulgarischer Herkunft. Nur wenige deutsche Partner verliefen sich. Auch jüngere Gäste wurden vergeblich gesucht. Meine Begleitung und ich waren, mit einer Ausnahme, die jüngsten Zuhörer.

Wer ist der Autor und Mensch Thomas Frahm?

Vor mir stand ein groß gewachsener, schlanker Mann mittleren Alters. Vom Aussehen her müssen Sie sich einen netten, aber durchaus streng wirkenden Klassenlehrer vorstellen. Doch vom ersten Moment an war da eine gewisse Sympathie. Vielleicht fühlte ich mich unbewusst an meine Schulzeit zurückerinnert. Ich weiß es nicht.

Doch dieser Thomas Frahm hat weit mehr zu bieten, als nur diese schon beschriebene Pädagogenerscheinung. Jahrgang 1961. Er studierte Geografie, Städtebau, Bodenkunde und Philosophie an der Universität Bonn. Arbeiten wird er später jedoch als Journalist, Verleger, Übersetzer und Schriftsteller.

Seit vielen Jahrzehnten befasst er sich mit Bulgarien, dessen Einwohnern und der einheimischen Literatur. Einige Jahre war Frahm mit einer bulgarischen Journalistin verheiratet. Anfang des Jahrtausends wanderten seine damalige Gattin und er in ihr Heimatland aus. Zu diesem Zeitpunkt begann auch seine Karriere als freischaffender Schriftsteller. Seine Übersetzung des zweiten Teils von Zarevs Romantrilogie „Feuerköpfe“ schaffte es 2012 auf die Shortlist zum Preis der Leipziger Buchmesse.

Heute gilt Thomas Frahm als der bedeutendste Übersetzer Bulgarischer Werke ins Deutsche. Er lebt und arbeitet in Sofia.

Das Abendprogramm

Die Lesung war spannend und gut aufgebaut. Neben Erzählungen aus dem Leben des privaten Autors gab es immer wieder eine sehr persönliche Sicht. Nicht nur auf Bulgarien, sondern auch auf Deutschland und Europa im Allgemeinen. Jedes Mal, wenn Thomas Frahm Passagen aus einem seiner Bücher vorlas, hatte ich das Gefühl, mich wirklich an Ort und Stelle zu befinden. Ich war noch nie in Bulgarien, kannte nur einige bekannte Orte aus Funk, Fernsehen und Magazinen, doch die bildhafte Darstellung seiner Texte half mir sehr. Sehr schnell bekam ich ein Bild vor der beschriebenen Region.

Thomas Frahm führte mit Routine, aber auch viel Freude durch den Abend. Bulgarische Lyrik las er mit einer Leichtigkeit vor, die den Saal um beben brachte. Oftmals muss es witzige Stellen gegeben haben, denn das Publikum lachte. Für einen Gast, der die bulgarische Sprache nicht verstand, schwere Kost. Doch der neutrale Zuhörer, der ich ja in diesem Moment war, konnte das weder dem Autor noch dem restlichen Publikum übel nehmen.

Besonders lobenswert empfand ich an diesem Abend den erweiterten Geschichtsunterricht. Denn wie viele Bundesbürger, weiß ich nicht wirklich viel, also eher fast gar nichts über Bulgarien. Okay, sie sind Mitglied der EU. Aber sonst? Zum Glück gibt es Menschen wie Thomas Frahm, die mit viel Herzblut um die Völkerverständigung bemüht sind. Ich für meinen Teil habe an diesem Abend sehr viel gelernt. Den ganzen Abend über hatte ich das Gefühl nicht Gast einer Lesung zu sein, sondern ich wurde mitgenommen auf eine Reise in ein unbekanntes Land!

"Oh, Bulgarien!"

Frahms neuestes Buch ist ein Reiseführer der besonderen Art: Ortsbeschreibungen wie aus den üblichen Führern bekannt, werden hier vergeblich gesucht. Viel mehr geht der Autor ins Detail. Er zeigt Orte, die nicht so bekannt sind. Genau genommen zeigt uns Thomas Frahm Bulgarien. Sein Bulgarien, auf eine ganz persönliche Sichtweise.

Passend ist das Buch für alle diejenigen, die nicht nur gerne reisen, sondern auch einen Blick hinter die Kulissen eines Landes werfen wollen und sich nie zu alt fühlen, ihren Horizont zu erweitern.

Deutsch-Bulgarisches Forum

Eingeladen hatte das Deutsch-Bulgarische Forum. Ein Verein, der seit mehr als zwei Jahrzehnten um die Verständigung zwischen Deutschen und Bulgaren bemüht ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich dabei um wirtschaftliche Interessen handelt, oder um kulturellen Austausch.

Was bleibt von diesem Abend? In erster Linie der Gedanke, eine große Wissenslücke schließen zu müssen. Eine Reise ins unentdeckte Land wurde ganz fest vorgenommen. Doch das Wichtigste: Es gibt noch Menschen wie Thomas Frahm. Sie leben für ihre Sache und bemühen sich, die Welt bestmöglich an ihrem immensen Wissen teilhaben zu lassen. Und das nicht auf die antiquierte Museumsart, sondern so lebendig, wie nur möglich!

Weitere Informationen zum Autor gibt es hier: www.choraverlag.de
Website des Deutsch-Bulgarischen Forums: http://deutsch-bulgarisches-forum.de/

Autor:

Georg Wolf aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 2.679× gelesen
BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 2.021× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 2.644× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 3.552× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.