Aus Eisfabrik wird Eiswerk
Vergessener Ort an der Spree erfindet sich neu
Eisfabrik: Das klingt nach zuckersüßem Schlaraffenland. Tatsächlich wurde auf dem Fabrikgelände in der Köpenicker Straße 40/41 bis Mitte der 1990er-Jahre noch Eis produziert. Danach verwilderte das Gelände. Inzwischen erfindet sich der vergessene Ort neu.
Direkt an der Spree liegt zwischen Mitte und Kreuzberg die Alte Eisfabrik. Sie gehörte zu den ältesten noch erhaltenen Eisfabriken in Deutschland. Carlo Bolle hatte das Grundstück an der Köpenicker Straße 40/41 im Jahr 1893 von den Holzhändlern Eger erworben und darauf die Eisfabrik gebaut. Drei Jahre später begann er dort künstliches Eis zu produzieren und gründete die Norddeutsche Eiswerke AG. Ab 1914 stellte Bolle in seiner Eisfabrik mit nur einer Eismaschine aus der Halleschen Maschinenfabrik und einer Eisgießerei Stangeneis für die Berliner her. Da es damals noch keine Kühlschränke gab, wurde das Eis in bis zu eineinhalb Meter langen Stangen an Haushalte, Kneipen, Brauereien und Obsthandlungen geliefert. Daher der Name „Stangeneis“.
Bedarf an Stangeneis stark gesunken
Die Fabrik bestand aus zwei Höfen mit Wohnanlage, Kessel- und Maschinenhaus. 1945 brannte eines der Wohnhäuser beim Bombenangriff auf Berlin aus. Anfang 1952 wurde die Eisfabrik dann unter dem Namen VEB Kühlhaus Süd-Ost volkseigen und die Produktion noch im selben Jahr wegen des sinkenden Bedarfs von Stangeneis von jährlich 240 Tonnen auf 120 Tonnen reduziert. Zehn Jahre später waren es nur noch 60 Tonnen. Mit der Wiedervereinigung 1990 ging der VEB Kühlhaus Süd-Ost in die Berliner Kühlhaus GmbH über. Mit der Produktion von Stangeneis war im Oktober des Folgejahres Schluss. Die Berliner Kühlhaus GmbH gab 1995 den Betrieb an der Köpenicker Straße auf und die Treuhand Liegenschaftsgesellschaft (TLG) übernahm komplett die Verwaltung des Objekts.
Gegen den bundesweiten Widerstand von Initiativen und Verbänden wurden im Oktober 2010 die Kühlhäuser durch die TLG Immobilien GmbH abgerissen. Ursprünglich sollten auch die restlichen Gebäude einschließlich des markanten Schornsteins verschwinden. Doch das passierte auch aus Denkmalschutzgründen nicht. Ab da verwilderte die Eisfabrik – und Berlin bekam einen neuen Lost Places.
Mix aus Wohnen, Gewerbe und Kreativwirtschaft
Verboten ist der Zutritt aufs Gelände bis heute. Verlassen aber ist die Ruine schon lange nicht mehr. Aus der historischen Eisfabrik wird das „Eiswerk“. Der jetzige Eigentümer will auf dem Areal einen Mix aus Wohnen, Gewerbe, Kultur- und Kreativwirtschaft bauen. Ein Teil des Projektes ist bereits fertiggestellt und hat mit dem Coworkinganbieter Techspace schon den ersten Ankermieter gefunden. Im jahr 2022 soll das gesamte Projekt fertig sein.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.