"Mir hat irgendetwas gefehlt"
David Tilcher hat seine Freizeit gegen das Ehrenamt getauscht

Im Ehrenamt muss du zuverlässig sein, sagt David Tilcher, Maschinenbauingenieur für Trinkwasser- und Abwasserversorgung.  | Foto:  Kiefert
  • Im Ehrenamt muss du zuverlässig sein, sagt David Tilcher, Maschinenbauingenieur für Trinkwasser- und Abwasserversorgung.
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David Tilcher engagiert sich seit über acht Jahren im Klik-Verein für Wohnungslose. Er schraubt, hämmert, kocht, backt, putzt, transportiert und organisiert und geht immer mit einem Lächeln nach Hause. Dafür bekam er jetzt den Ehrenamtspreis.

Sie sind für andere aktiv, setzen sich Tag für Tag für die Gemeinschaft ein – und das alles ohne großes Aufsehen. Auch David Tilcher ist so ein Mensch. Vor acht Jahren hat der 34-Jährige seine Freizeit gegen das Ehrenamt getauscht. Bereut hat er das nicht. „Es macht mich glücklich“, sagt Tilcher.

Es ist ein warmer Vormittag im Mai 2016, als David Tilcher zum ersten Mal die Kontakt- und Beratungsstelle von Klik an der Torstraße betritt. Er hat gerade eine Kunstausstellung des Vereins in der Zionskirche gesehen, in der junge Wohnungslose von ihrem Leben erzählen. „Das hat mich tief bewegt.“ Bei Klik, der Menschen in Wohnungsnot berät und bei sozialen Schwierigkeiten hilft, weiß man mit dem Studenten der Technischen Universität, der heute promovierter Maschinenbauingenieur ist, zunächst nichts anzufangen. „Ich habe aber nicht lockergelassen“ und David darf zur Teamsitzung bleiben. „Als er dann eine Stunde später mit mehreren großen Tüten voll mit Kuchen bei uns eintraf und sagte, er wolle auch gerne den Laden fegen, wenn es uns nütze, hatte er bereits die Herzen aller Anwesenden erobert“, erinnert sich Klik-Geschäftsführerin Alexandra Post in ihrer Laudatio. Es ist nämlich noch nicht lange her, dass das Bezirksamt Mitte David Tilcher für den Ehrenamtspreis auf die Bühne holte.

Im Verein begeistert Tilcher ziemlich schnell mit seiner „Empathie, Hingabe und seiner unermüdlichen Bereitschaft, einen Unterschied zu machen“. Nichts und niemand ist für ihn wertlos, jeder hat seine Würde. Mit der Zeit übernimmt David immer mehr Aufgaben. Er baut eine Holz- und Metallwerkstatt auf und bringt den jungen Wohnungslosen in einem Workshop bei, Möbel zu bauen – für ihr Zimmer in der Unterkunft oder die neue Wohnung. Später organisiert er das Nachtcafé als Notübernachtungsangebot im Rahmen der Kältehilfe und übernimmt Nachtschichten. Er schraubt und hämmert, plant und organisiert, wischt und fegt, schleppt und fährt, backt und putzt und das alles mit einer Energie und Freundlichkeit, die bei allen, die ihn kennen, bleibenden Eindruck hinterlässt.

"Ich wollte etwas zurückgeben"

Geboren und aufgewachsen ist David Tilcher in Göttingen. Im Wedding lebt er seit 15 Jahren. Dass er sich engagieren will, weiß er spätestens im Studium. „Mir hat irgendetwas gefehlt.“ Um Dankbarkeit geht es ihm nicht. Jede Tätigkeit ist für ihn sinnvoll. Hauptsache, er kann helfen. „Ich bin ein privilegiertes Kerlchen und wollte immer etwas zurückgeben.“ Außerdem macht ihm das Ehrenamt „unglaublich viel Spaß“, sagt Tilcher. „Die Menschen, die ich kennenlerne, erweitern auch meinen Horizont. Und man lernt, die kleinen Dinge wertzuschätzen.“

Bis zu 16 Stunden in der Woche investiert David Tilcher in sein Ehrenamt. Inzwischen sind es weniger, seit ein paar Jahren hat er eine Vollzeitstelle. Er sitzt im Vereinsvorstand und fährt dazu noch seit neun Jahren beim DRK ehrenamtlich den Wärmebus. Da sieht er unterwegs viel Leid. Dass immer mehr Menschen prekär leben, merkt auch der Verein. Ursprünglich für junge Wohnungslose gedacht, kommen inzwischen immer mehr Familien mit Kindern in die Beratungsstelle. David Tilcher kennt die Zahlen. 672 Haushalte hat das Team in diesem Jahr schon beraten. Das sind zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Sorgen hat aber auch der Verein selbst. Ende 2016 wird ihm gekündigt und er muss umziehen. David hilft damals bei der Raumsuche und beim Renovieren. Der neue Standort hat viel weniger Platz. Die Möbelbau-Werkstatt und das Nachtcafé gibt es deshalb nicht mehr. Schlecht steht es jedes Jahr aufs Neue um die Finanzierung des Vereins. „Der Senat will die Obdachlosigkeit überwinden“, sagt Tilcher. „Klik hilft dabei und sollte deshalb weiterfinanziert werden.“

Neuer Job in Mannheim

Trotz seiner karitativen Ader, Sozialarbeiter wollte David Tilcher nie werden. Auf sein Ehrenamt kann er sich emotional nur einlassen, „weil ich das nicht jeden Tag machen muss“. Was er macht, macht er aber gründlich. „Es sind Menschen wie David, die unsere Gemeinschaft und unsere Gesellschaft zusammenhalten, stärken und inspirieren“, beendet Alexandra Post ihre Lobrede auf den liebgewonnenen Helfer. Der wird Berlin bald verlassen und in Mannheim einen neuen Job annehmen. Mindestens ein Mal in der Woche will er aber zurückkehren, verspricht Tilcher. Zu seiner Freundin und zu Klik.

Mit dem Ehrenamtspreis 2024 hat das Bezirksamt Mitte außerdem Trainer Andreas Weiss vom SV Blau Weiss Berolina Mitte 49 und die Ehrenamtlichen im Projekt "Trans*Sexworks" ausgezeichnet. Der Sonderpreis ging an Jouanna Hassoun und Shai Hoffmann vom Projekt "Trialoge", die sich für den Dialog zwischen Palästinensern und Juden einsetzen.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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