Frank Ebert soll Tom Sello ablösen
Senat schlägt DDR-Bürgerrechtler als neuen Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur vor
Der Senat hat dem Abgeordnetenhaus den DDR-Oppositionellen Frank Ebert als neuen Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (BAB) vorgeschlagen. Der gebürtige Hallenser soll den Posten von Tom Sello (65) übernehmen, der in den Ruhestand geht.
Der Bürgerrechtler Tom Sello hatte den Job Ende 2017 übernommen. Wenn das Abgeordnetenhaus zustimmt, wird der 52-jährige Frank Ebert das Amt für fünf Jahre führen. Ebert ist zurzeit Sprecher der Robert-Havemann-Gesellschaft (RHG), für die auch Sello 24 Jahre lang für politische Bildung zu den Themen DDR, Opposition, Mauer und Revolution tätig war.
In einer gemeinsamen Erklärung der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke hat die rot-grün-rote Regierungskoalition die Nominierung von Frank Ebert begrüßt. Sie sei „ein starkes Zeichen im Sinne der SED-Opfer“, sagt Dirk Liebe (SPD). Dass Ebert für den Job der Richtige sei, betont auch Andreas Otto von den Grünen, in der DDR selbst Bürgerrechtler. „Frank Ebert kann Aufarbeitung und Bildungsarbeit. Er hat die Härte der SED-Diktatur durch mehrere Verhaftungen selbst erfahren, was ihm einen besonderen Zugang zu den Opfern von Verfolgung und Berufsverboten ermöglicht“, sagt er. Für Anne Helm von den Linken sei Frank Ebert „ein höchst engagierter und erfahrener Beauftragter für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, der seit vielen Jahren die Erinnerung an den Einsatz der DDR-Opposition für demokratische Grundrechte und Freiheiten wachhält und sich für dessen Würdigung leidenschaftlich einsetzt“. Frank Ebert wollte vor der Wahl im Abgeordnetenhaus am 9. Februar kein Statement zum Amt und seinen Plänen gegenüber der Berliner Woche abgeben.
Der DDR-Bürgerrechtler ist ab 1981 in Ost-Berlin aufgewachsen und war als Jugendlicher mit dem SED-Regime in Konflikt geraten. Der gelernte Werkzeugmaschinenbauer verweigerte den Wehrdienst und engagierte sich ab 1988 in der Umwelt-Bibliothek, die im Keller der Zionskirche die verbotenen Umweltblätter druckte und darin vor allem über die DDR-Umweltfrevel berichtete. Die Stasi stürmte 1987 die illegale Druckerei und verhaftete Mitglieder der Umwelt- und Friedensbewegung. Frank Ebert, der 1989 die Fälschung der SED-Wahlen mit aufgedeckt hatte, wurde mehrmals verhaftet.
Frank Ebert ist selbst Teil einer Ausstellung der Robert-Havemann-Gesellschaft über Jugendopposition in der DDR.Im Herbst 1989 war der Ost-Rebell bei den Demos gegen das SED-Regime auf der Straße und kam bei einem Protestmarsch auf das Titelbild vom Spiegel, der eine Geschichte über „Volk ohne Angst“ veröffentlichte, wie es in der Ausstellung heißt. Ebert war 2014 wesentlich an dem Senatsprojekt „Lichtgrenze“ zum 25. Jahrestag des Mauerfalls beteiligt. Tausende Ballons illuminierten damals die ehemalige Grenze zwischen Ost und West. 2015 erhielt Ebert dafür den Verdienstorden des Landes Berlin.
Der SED-Beauftragte ist Ansprechpartner für Opfer der SED-Diktatur und berät Betroffene zu Fragen der Rehabilitierung und Entschädigung nach politischer Haft, bei Anträgen auf Opferrente und auf Einsicht in Stasi-Unterlagen. Zu den Aufgaben des BAB gehören Bildungsprojekte und Veranstaltungen zur DDR-Geschichte. Der SED-Beauftragte setzt sich auch für die Weiterentwicklung der Gedenkstätten zur Erinnerung an die Zeit der SED-Diktatur wie zum Beispiel des Volkspolizeigefängnisses Keibelstraße oder der ehemaligen Stasi-Zentrale in Alt-Hohenschönhausen ein.
Im vergangenen Jahr hat der Berliner Aufarbeitungsbeauftragte (BAB) 13 Projekte mit insgesamt 1,6 Millionen Euro gefördert, die sich mit der Aufarbeitung der SED-Diktatur befassen. Das meiste Geld war für die historisch-politische Bildung. Größte Einzelempfängerin ist die RHG, die rund 614 000 Euro erhielt. Die RHG betreibt die Open-Air-Ausstellung „Revolution und Mauerfall“ im Innenhof der ehemaligen Stasi-Zentrale, des heutigen Campus für Demokratie, und unterhält das Archiv der DDR-Opposition zur Dokumentation von Geschichte und Erfahrungen von Opposition und Widerstand in der DDR. Sie wird je zur Hälfte vom Bund und Land gefördert. „Jüngere Menschen beziehen ihr Wissen über die DDR meist nur noch aus den Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern, denn im Geschichtsunterricht kommt die SED-Diktatur oft zu kurz“, sagt der noch amtierende Beauftragte Tom Sello.
Mit knapp 545 000 Euro ging rund ein Drittel der Gesamtfördersumme an Einrichtungen, die SED-Opfer in Fragen der Rehabilitierung beraten oder psychosoziale Unterstützung anbieten. Das ist zum Beispiel die Beratungsstelle Gegenwind in Moabit. Sie berät Menschen, die an psychischen Folgen von politischer Verfolgung, willkürlicher Inhaftierung, Zersetzung oder anderen staatlichen Repressionen in der DDR leiden.
Für 2023 hat der Senat die Fördermittel nochmals erhöht. Dem neuen SED-Beauftragten stehen rund 1,95 Millionen Euro für die Projektförderung zur Verfügung.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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