"Weh dem, der keine Heimat hat!" (Teil 1)
Berlin. Gleich zwei Leser-Beiträge hat Manfred Jahn zum Aufruf der Redaktion "Meine Heimat" eingereicht. Hiermit folgt der erste Teil vom 71-jährigen Berliner.
Bis zum vergangenen Jahr habe ich meinen Heimathafen mit dem Pankower Wohnsitz meiner Mutter und ihrer dortigen körperlichen Präsenz definiert. Nachdem sie im Juni 2014, meine Hand haltend, im 95. Lebensjahr in Ruhe für immer und zufrieden einschlief, hat sich meine Heimatvorstellung insofern geändert und erweitert, dass ich den geografischen Raum auf Ostberlin ausgedehnt habe. Dies ist die erlebte Region, in der ich mich durch Geburt, Tradition und Lebensweise besonders verbunden fühle. Hier wurde meine Persönlichkeit maßgeblich geprägt und es kamen meine ersten entscheidenden sozialen Beziehungen zu Stande.
Um nicht in den Ruf eines DDR-Nostalgikers zu geraten, betone ich von vornherein, dass ich die Öffnung der Mauer 1989 bereits lange herbeigesehnt hatte. Ich genieße seit der Grenzöffnung den Westteil unserer Stadt mit seinem modernen Ambiente, mit seinen kulturellen Gegebenheiten, mit meinen tollen Freunden wie Wolfgang, der 1966 republikflüchtig wurde und mit seinem Freund Dieter, dem lustigsten Schornsteinfegermeister aus dem Südwesten der Stadt, und Marion, der Künstlerin, deren Natürlichkeit so ansteckend ist.
Nun zu meiner heimatlichen Gegend Ostberlin. Die Erinnerungen an meine Schulzeit und meine erste Jugendfreundin aus Pankow, die Erlebnisse mit meinen Fußballfreunden des ASK Vorwärts Berlin und der Berliner Stadtauswahl mit ihrem Trainer Werner Schwenzfeier, die Geburt meines Sohnes und später meiner Tochter, die Liebesbeziehung zu Lilo und die Annahme der Vaterrolle ihrer Tochter geben meinem Heimatbegriff die erforderlichen Inhalte.
Die beruflichen Erfolge als Leiter von Großsportveranstaltungen, wie die Handball-WM, der Europacup der Leichtathletik, die Internationale Friedensfahrt, das NOK- Schwimmfest und die Kinder- und Jugendspartakiaden bleiben mir rückblickend im Gedächtnis.
Erinnerung an andere Zeiten
Die Montags-Stammtische im Hotel Berolina mit Journalisten, Moderatoren, Schauspielern und Fußball-Nationalspielern, die Erlebnisse mit meinen Freunden Dieter und Klaus, die ich als Manager vom Fußball-DDR-Ligisten KWO-Berlin erfahren habe, und die Episoden mit ihnen und meinen Fußballern, die wir unter anderem in den Trainingslagern in Warnemünde erlebten, gehören zu den Erinnerungen, die wir noch des Öfteren austauschen.
Die Zeit der Wandlung der DDR von einer Diktatur zu einem freiheitlichen Staat, so unter anderem die machtvolle Demonstration am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz, mit Redebeiträgen, die im ersten Halbjahr niemand für möglich hielt, war ein Erlebnis, das ich nie vergessen werde. Die ersten freien Wahlen mit der folgenden Ernennung, wie der aus unserer Jugendclique hervorgegangenen Sabine zur Volkskammerpräsidentin und zugleich Staatsratsvorsitzenden, war wie das Sahnehäubchen auf diese großartigen politischen Ereignisse.
Dank des Schreibens sind mir nun neue Gedanken gekommen, die eine Erweiterung meines Heimatbegriffes auf ganz Berlin zulassen. Willy Brand und Egon Bahr haben ihren Anteil ebenso daran, wie Erlebnisse, denen ich mich in meinem Teil 2 widmen werde.
Weh dem, der keine Heimat hat! (F. Nietzsche) Manfred Jahn
Autor:Lokalredaktion aus Mitte |
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