Spannender Kampf um Chefsessel im Rathaus
17 Parteien wollen in die Bezirksverordnetenversammlung – Vier haben Chancen auf Spitzenposten im Bezirksamt
Der 26. September ist ein Superwahlsonntag. Mit Abgeordnetenhaus und Bundestag wählen die Berliner auch ihre Bezirksverordneten neu. In Mitte treten 17 Parteien und Wählergemeinschaften zur BVV-Wahl an. Sechs Parteien hoffen auf den (Wieder)Einzug ins Bezirksamt.
Derzeit sind sieben Parteien in der BVV vertreten. Grüne, SPD, Die Linke, CDU, AfD, FDP und Piraten besetzen die 55 Sitze. 2016 lag die Wahlbeteiligung bei knapp 54 Prozent. Auf den Einzug in die BVV hoffen 17 Parteien. So viele sind zur Wahl zugelassen. Mitreden wollen auch Die Partei, die Tierschutzpartei, die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), die Basisdemokratische Partei Deutschland (dieBasis), Die Grauen, Freie Wähler, Klimaliste Berlin, Die Humanisten, Volt Deutschland und die Wählergemeinschaft die-waehlbaren.de. Im Unterschied zu den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zum Bundestag haben die Wahlberechtigten nur eine Stimme pro Partei oder Wählervereinigung, also keine Zweitstimme. Mitwählen dürfen aber alle ab 16 Jahre und alle EU-Bürger. Damit sind in der Summe knapp 249 800 Berliner aus Mitte stimmberechtigt, davon rund 39 000 Unionsbürger. Und es gibt noch eine Besonderheit: Die Fünf-Prozent-Hürde gilt nicht für die BVV-Wahl. Hier liegt die Sperrklausel bei drei Prozent.
Wer stärkste Kraft wird und auf den Chefsessel im Rathaus hoffen kann, ist offen. Nach aktuellem Trend ergibt sich aber für die Grünen eine relative Mehrheit. Stephan von Dassel, der es auf den Stimmzettel seiner Partei gerade so geschafft hat, könnte somit Bürgermeister bleiben. Von Dassel wurde 2016 erster Bürgermeister der Grünen im Bezirk und führt die rot-grüne Zählgemeinschaft mit hauchdünner Mehrheit in der BVV an. Der Politologe ist 54 Jahre alt, in Münster geboren und seit 1984 bei den Grünen. Von Dassel gilt als Bürgermeister, der auch mit strenger Hand regiert. Er hatte illegale Zeltlager von Obdachlosen im Großen Tiergarten und im Spreebogenpark konsequent räumen lassen und dafür viel Kritik von der Obdachlosenhilfe geerntet. Unpopuläre Entscheidungen wie das nächtliche Aufenthaltsverbot im James-Simon-Park twittert er lieber, statt sie über offizielle Stellen bekannt zu machen. In seiner Partei gehört von Dassel zu den Realos, die ihre Anhänger als Grüne Real@sMitte bei der Stange halten.
Flügelkämpfe sind kein Geheimnis. Auffällig aber: Auf die Liste für die BVV-Wahl haben es nur zwei der zwölf grünen Bezirksverordneten geschafft. Die wohl größte Überraschung war, dass Frank Bertermann nicht mehr draufsteht. Der Moabiter ist ein „Urgestein“ der Grünen, sitzt seit 26 Jahren in der BVV und gilt selbst im Bezirksamt als kompetenter Stadtentwicklungsexperte. Politisch sozialisiert hatte sich der Ostberliner in der DDR- Bürgerbewegung „Demokratie jetzt“. Bei der Kandidatenwahl der Grünen im Mai war Bertermann zwar angetreten, hatte aber nicht die notwendige Mehrheit bekommen.
Sollte Stephan von Dassel das Rathaus behalten, will er sich für ein junges, diverses und digitales Bezirksamt und eine bürgernahe Verwaltung einsetzen. Beim Verkehr schwebt ihm die „Vision Zero“ vor: „Keiner kommt um und alle kommen an“. Erreichen will er das mit mehr Radwegen, Kiezblocks, weniger Autos und Parks statt Parkplätzen.
Auf den Posten des Rathauschefs hofft auch Ephraim Gothe, das bekannteste Gesicht der SPD Mitte. Als Vize-Bürgermeister und Stadtrat für Stadtentwicklung, Soziales und Gesundheit bringt Gothe viel Erfahrung mit. Er war persönlicher Referent des Senatsbaudirektors von Berlin, Hans Stimmann, und von 2012 bis 2014 Staatssekretär unter dem damaligen Bausenator Michael Müller. Die Stadtentwicklung ist sein „Steckenpferd“. Gothe setzt sich für die Verkehrswende ein und wünscht sich eine autofreie Berliner Innenstadt nach Pariser Vorbild. Laut BVV-Wahltrend liegt die SPD hinter den Grünen.
Erster Mann im Rathaus will auch Carsten Spallek von der CDU werden. 2011 war er bereits Bürgermeisterkandidat. Nun fordert er Stephan von Dassel heraus. Spallek gehört seit 2009 dem Bezirksamt an, aktuell ist er Stadtrat für Schule, Sport und Facility Management. Auf seiner To-do-Liste steht der Ausbau von Schul-und Kitaplätzen im Bezirk.
Die Linken schicken mit Christoph Keller einen Jungpolitiker ins Rennen um eine Spitzenposition im Rathaus. Laut Wahltrend haben sie allerdings wenig Aussichten auf das Bürgermeisteramt. Bleibt die Hoffnung auf einen Stadtratsposten. Christoph Keller ist 35 Jahre alt, wohnt in Wedding und bereitet sich „seit Jahren fleißig, tiefgründig und allseitig darauf vor, ein guter Bürgermeister“ für Mitte zu werden. Keller arbeitet im Bezirksamt Lichtenberg als Referent der Familienstadträtin. Zu den Prioritäten auf seiner To-do-Liste gehören der Ausbau von Kitas und Schulen, bessere Bildungs- und Integrationsbedingungen. Außerdem will der gebürtige Potsdamer, sollte er den Einzug ins Bezirksamt schaffen, Radwege auf der Müllerstraße und Leipziger Straße realisieren, das Café Leo erhalten und dem „Haus der Weisheit“ eine dauerhafte Perspektive geben.
Spitzenkandidat der FDP ist Bastian Roet, Jahrgang 1979. Bei den Liberalen ist er seit 2010, in der BVV sitzt der Soziologe seit fünf Jahren. Wichtig sind ihm der Wohnungsbau und der Erhalt der Grünflächen. Eine komplett autofreie Innenstadt will er nicht. Wie die FDP hat auch die AfD kaum Chancen auf das Bezirksamt. Spitzenkandidatin ist Vize-Fraktionschefin und Parteibezirksvorsitzende Sabine Schüler. Ihre Themen sind mehr Chancengleichheit und Leistungsgerechtigkeit.
Am Wahltag sind die Wahllokale von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Für die Briefwahl wurden bislang rund 52 000 Anträge gestellt. Mehr Infos rund um die Wahlen: www.wahlen-berlin.de.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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