Attacke mit K.-o.-Tropfen
Angriffe wie die auf dem Sommerfest der SPD-Bundesfraktion sind keine Einzelfälle in Berlin

Angriffe mit K.-o.-Tropfen passieren hauptsächlich in Bars, Clubs und bei Konzerten. Ihre Zahl nahm seit 2019 ab. | Foto:  Gerhard Seybert, AdobeStock
  • Angriffe mit K.-o.-Tropfen passieren hauptsächlich in Bars, Clubs und bei Konzerten. Ihre Zahl nahm seit 2019 ab.
  • Foto: Gerhard Seybert, AdobeStock
  • hochgeladen von Hendrik Stein

Auf dem Sommerfest der SPD-Bundesfraktion im Tipi-Zelt am Kanzleramt mit rund 1000 Gästen Anfang Juli hat es vermutlich K.-o.-Tropfen-Attacken auf neun Frauen gegeben. Die Polizei ermittelt bislang in fünf Fällen.

Insgesamt hatten sich neun Gäste gemeldet, die über Symptome wie Übelkeit, Schwindel oder Gedächtnisverlust berichteten. Die Polizei ermittelt gegen Unbekannt und bittet alle Opfer, auch Anzeige zu erstatten. Der Angriff mit K.-o.-Tropfen auf dem Politikerfest, an dem auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teilnahm, ist bisher der größte in Berlin. Solche Attacken passieren hauptsächlich in Kneipen, Bars und Clubs, wo sich Täter meist Frauen gefügig machen wollen. Das Motiv des unbekannten Täters, auf dem SPD-Fest mehreren Frauen Betäubungstropfen ins Getränk zu mischen, ist bislang unklar.

Gerade mal sieben Fälle mit K.-o.-Tropfen hatte die Polizei bis Mai dieses Jahres registriert. Im vergangenen Jahr lag die Zahl dieser Rohheits- und Sexualdelikte bei 22, 2020 bei 31. Damit war die Zahl dieser Straftaten zuletzt rückläufig, wie aus der Antwort von Innenstaatssekretär Torsten Akmann auf eine Anfrage des Abgeordneten Florian Kluckert (FDP) hervorgeht. Die Zahlen sind natürlich auch gesunken, weil in den vergangenen zwei Jahren wegen Corona die Clubs geschlossen waren. 2019 gab es mit 71 Fällen die höchste Zahl bei diesen Straftaten in den vergangenen fünf Jahren. Die FDP-Anfrage zu den K.-o.-Tropfen-Angriffen ist erst vier Wochen alt.

Neues Phänomen Needle-Spiking

Täter nutzen K.-o.-Tropfen vor allem für Sexualdelikte oder Diebstähle. Dem Opfer werden dabei Wirkstoffe wie GHB oder Ketamin ins Getränk gekippt, um sie in tiefen Schlaf oder in Bewusstlosigkeit zu versetzen. Das gleiche Ziel verfolgen Täter mit dem sogenannten Needle-Spiking, bei dem meist jungen Frauen heimlich ein Betäubungsmittel injiziert wird. Diese Attacken erfolgen meist in Clubs, Bars oder bei Konzerten. Die Polizei habe zu diesem Phänomen nichts in ihren Computern, weil die Daten zu Needle-Spiking-Attacken statistisch nicht erhoben werden, so Torsten Akmann. Das Spritzenphänomen ist noch ganz neu. Erst im Herbst 2021 wurden Fälle aus Großbritannien bekannt. Mittlerweile soll es Hunderte Fälle in ganz Europa geben. Die Polizei konnte beim Thema K.-o.-Tropfen in den vergangenen fünf Jahren 56 Tatverdächtige ermitteln. Mehrere Täter wurden verurteilt. 2017 bekam einer eine Freiheitsstrafe von 13 Monaten.

Im Kampf gegen Needle-Spiking und K.-o.-Tropfen fördert der Senat seit 2018 das Party-Präventionsprojekt Sonar Safer Nightlife Berlin. Sonar ist eine Kooperation der Drogenhilfeträger Fixpunkt, vista, Notdienst für Suchtmittelgefährdete und -abhängige sowie dem Verein Eclipse und der Clubcommission Berlin. Sie bieten Infostände, Schulungen, Workshops, Podcasts und Beratungen an. Der Senat wolle das Party-Präventionsprojekt „weiter verstetigen“, so Torsten Akmann. Zudem sollen Clubpersonal und Partyveranstalter „für die Themen Risikomanagement und Gesundheitsförderung im Nachtleben weiter sensibilisiert werden“.

Projekt Drugchecking

Zudem will der Senat auch das Projekt Drugchecking endlich starten. Den Plan, Drogenkonsumenten eine anonyme Laboranalyse ihres Stoffs ohne Meldung an die Polizei zu ermöglichen, hat Rot-Grün-Rot schon seit Jahren. Wie der Tagesspiegel berichtet, werden derzeit die zwei nötigen Laborstellen beim Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin ausgeschrieben. Laut Gesundheitsverwaltung können Konsumenten Proben ihres Stoffs bald an drei Stellen zur Analyse abgeben.

Die Idee dahinter ist, Partygänger so vor gesundheitlichen Risiken zu schützen und über Gefahren des Drogenkonsums aufzuklären. Ohne Angst vor Strafverfolgung kann man in den Drugchecking-Stellen anonym seine illegalen Drogen im Labor darauf untersuchen lassen, ob sie mit Giften verunreinigt sind. Rauschgifthändler strecken Kokain zum Beispiel oft mit pharmakologisch wirksamen Substanzen, die schädlicher sind als die Droge selbst. Um mehr Gewinne zu machen, wird der Stoff zum Beispiel mit Schmerzmitteln wie Paracetamol oder Phenacetin gemischt. Im gestreckten Kokain ist oft das Entwurmungsmittel Levamisol nachzuweisen, das wegen seiner Nebenwirkungen nur in der Tiermedizin zugelassen ist.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

48 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Informieren Sie sich über Intensivmedizin. | Foto: 2022 Tomasz Kuzminski

Infoabend am 11. Februar
Grenzen und Möglichkeiten der Intensivmedizin

Die Intensivmedizin hat erstaunliche Fortschritte gemacht und bietet schwerstkranken Patienten Überlebenschancen, die früher undenkbar waren. Doch wo liegen die Grenzen dieser Hochleistungsmedizin? Welche technischen, personellen und ethischen Herausforderungen gibt es? Besuchen Sie unseren Infoabend mit Priv.-Doz. Dr. Stephan Kurz und erfahren Sie, wie intensivmedizinische Maßnahmen Leben retten, aber auch komplexe Entscheidungen erfordern. Was geschieht, wenn Therapieoptionen ausgeschöpft...

  • Reinickendorf
  • 29.01.25
  • 702× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für rund 258.000 Haushalte in Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte und Steglitz-Zehlendorf baut die Telekom Glasfaserleitungen aus.  | Foto: Telekom

Glasfaser-Internet hier im Bezirk
Telekom bietet 258.000 Haushalten einen Anschluss ans Glasfasernetz

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten in den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte und Steglitz-Zehlendorf. Damit können nun insgesamt rund 258.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant die Telekom insgesamt zwei Millionen Anschlüsse in Berlin zu...

  • Zehlendorf
  • 20.01.25
  • 1.461× gelesen
BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 3.510× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.