Teure Klienten
Bezirk gibt 100.000 Euro für ineffektive Schuldnerberatung aus
Das Jugendamt beauftragt den Träger Zukunftsbau mit der Schuldner- und Insolvenzberatung für Jugendliche bis 25 Jahren in den Räumen der Jugendberufsagentur (JBA) in der Lehrter Straße 46. Dabei hat das Bezirksamt vor einem Jahr beschlossen, die Erstberatung in der JBA einzustellen, da kaum jemand das Angebot nutzte.
Seit 2016 bieten die vom Bezirksamt beauftragten Träger AWO, Caritas und der Deutsche Familienverband Sprechstunden zur Schuldner- und Insolvenzberatung direkt in der Jugendberufsagentur in der Lehrter Straße 46 an. In einer sogenannten Erstberatung wollen die Berater jungen Leuten einen ersten Impuls geben, um wieder aus der Kreide zu kommen. Exakte Sanierungspläne bei Miet- oder Handyschulden sollen dann in den bezirklichen Beratungsstellen in Mitte (Caritas), Wedding (AWO) und Tiergarten (Deutscher Familienverband) ausgeklügelt werden. Doch in der JBA drehen die Berater Däumchen. Insgesamt 46 Jugendliche kamen 2017, 37 waren es 2018. In den bezirklichen Beratungsstellen langweilen sich die Schulden-Experten nicht so sehr. Das JBA-Angebot wird kaum genutzt; Jugendliche, die Hilfe brauchen, gehen lieber direkt in die bezirklichen Beratungsstellen – auch ohne explizite Vermittlung in der JBA.
Das Bezirksamt hatte deshalb im April 2019 beschlossen, „künftig den Erstkontakt zwischen Schuldnerberatern und den ratsuchenden jungen Menschen in den Beratungsstellen durchzuführen“. Diese alternativen Modelle seien gemeinsam mit den Schuldnerberatungen und den JBA-Partnern entwickelt worden. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hatte dies zuvor gefordert, weil die Erstberatung in der JBA nichts bringt. Die Gelder sollten effektiver eingesetzt werden, um jungen Schuldnern besser zu helfen.
Ärger über Ämterchaos
Doch jetzt teilt Jugendstadträtin Ramona Reiser (Linke) auf eine CDU-Anfrage mit, dass sie den Träger Zukunftsbau ab April 2020 mit der Erstberatung beauftragt hat – und zwar entgegen dem Bezirksamtsbeschluss in der Jugendberufsagentur. 100.000 Euro pro Jahr lässt sich der Bezirk das kosten, obwohl das Konzept wegen Ineffektivität geändert werden sollte. Laut Reiser sei die widersprüchliche Entscheidung Ergebnis einer Ideenwerkstatt von November 2019, an der das Sozialamt und die Träger der Schuldnerberatung teilgenommen hätten.
Fragen, warum das Jugendamt eine Schuldnerberatung direkt in der Jugendberufsagentur für 100.000 Euro beauftragt, obwohl das Bezirksamt im April 2019 nach Forderungen der BVV genau das Gegenteil beschlossen hat, beantwortet Reiser nicht. Sie lässt lediglich per Mail über ihre Referentin Lisa Hummel ausrichten, dass ihr Amt an der Beantwortung ähnlicher Fragen der Grünen arbeitet. Die Berliner Woche könne die Antworten „demnächst auf der Webseite der BVV Mitte einsehen“, schreibt Lisa Hummel.
Die Grünen-Anfrage hat Taylan Kurt geschrieben. Dem Verordneten ist vor soviel Ämterchaos die Hutschnur geplatzt. Auf drei Seiten fordert er unter der Überschrift „Warum hält sich das Bezirksamt nicht an seine eigenen Beschlüsse?“ Aufklärung über die dubiose Beauftragung. „Die Fachämter im Bezirksamt arbeiten nicht miteinander, sondern nebeneinander“, schimpft Kurt. Das Jugendamt setze sich über Beschlüsse des Bezirksamts hinweg und vergeude 100.000 Euro vom Senat „für eine nachgewiesenermaßen ineffektive Maßnahme“. Es gebe viele Träger, die mehr finanzielle Unterstützung brauchen. „Jetzt bekommt ein Träger Mittel, um für über 1000 Euro pro Vermittlung drei bis vier Jugendliche im Monat an die Schuldnerberatung zu vermitteln. Das ist unverantwortlich“, sagt Kurt. Das Geld werde aus dem Fenster geschmissen. „Die BVV wartet seit 1,5 Jahren darauf, dass Jugendamt und Sozialamt eine präventive Schuldnerberatung für Jugendliche einrichten“. Passiert ist bisher nichts. „Das Bezirksamt muss diese sinnlose Maßnahme stoppen und mit dem Geld endlich den Beschluss zur präventiven Jugendschuldnerberatung umsetzen“, fordert Taylan Kurt.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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