Teure Klienten
Bezirk gibt 100.000 Euro für ineffektive Schuldnerberatung aus

Spricht nicht mit der Presse: Jungendstadträtin Ramona Reiser gibt viel Geld für ein ineffektives Schuldnerberatungsangebot aus. | Foto: Dirk Jericho
  • Spricht nicht mit der Presse: Jungendstadträtin Ramona Reiser gibt viel Geld für ein ineffektives Schuldnerberatungsangebot aus.
  • Foto: Dirk Jericho
  • hochgeladen von Dirk Jericho

Das Jugendamt beauftragt den Träger Zukunftsbau mit der Schuldner- und Insolvenzberatung für Jugendliche bis 25 Jahren in den Räumen der Jugendberufsagentur (JBA) in der Lehrter Straße 46. Dabei hat das Bezirksamt vor einem Jahr beschlossen, die Erstberatung in der JBA einzustellen, da kaum jemand das Angebot nutzte.

Seit 2016 bieten die vom Bezirksamt beauftragten Träger AWO, Caritas und der Deutsche Familienverband Sprechstunden zur Schuldner- und Insolvenzberatung direkt in der Jugendberufsagentur in der Lehrter Straße 46 an. In einer sogenannten Erstberatung wollen die Berater jungen Leuten einen ersten Impuls geben, um wieder aus der Kreide zu kommen. Exakte Sanierungspläne bei Miet- oder Handyschulden sollen dann in den bezirklichen Beratungsstellen in Mitte (Caritas), Wedding (AWO) und Tiergarten (Deutscher Familienverband) ausgeklügelt werden. Doch in der JBA drehen die Berater Däumchen. Insgesamt 46 Jugendliche kamen 2017, 37 waren es 2018. In den bezirklichen Beratungsstellen langweilen sich die Schulden-Experten nicht so sehr. Das JBA-Angebot wird kaum genutzt; Jugendliche, die Hilfe brauchen, gehen lieber direkt in die bezirklichen Beratungsstellen – auch ohne explizite Vermittlung in der JBA.

Das Bezirksamt hatte deshalb im April 2019 beschlossen, „künftig den Erstkontakt zwischen Schuldnerberatern und den ratsuchenden jungen Menschen in den Beratungsstellen durchzuführen“. Diese alternativen Modelle seien gemeinsam mit den Schuldnerberatungen und den JBA-Partnern entwickelt worden. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hatte dies zuvor gefordert, weil die Erstberatung in der JBA nichts bringt. Die Gelder sollten effektiver eingesetzt werden, um jungen Schuldnern besser zu helfen.

Ärger über Ämterchaos

Doch jetzt teilt Jugendstadträtin Ramona Reiser (Linke) auf eine CDU-Anfrage mit, dass sie den Träger Zukunftsbau ab April 2020 mit der Erstberatung beauftragt hat – und zwar entgegen dem Bezirksamtsbeschluss in der Jugendberufsagentur. 100.000 Euro pro Jahr lässt sich der Bezirk das kosten, obwohl das Konzept wegen Ineffektivität geändert werden sollte. Laut Reiser sei die widersprüchliche Entscheidung Ergebnis einer Ideenwerkstatt von November 2019, an der das Sozialamt und die Träger der Schuldnerberatung teilgenommen hätten.

Fragen, warum das Jugendamt eine Schuldnerberatung direkt in der Jugendberufsagentur für 100.000 Euro beauftragt, obwohl das Bezirksamt im April 2019 nach Forderungen der BVV genau das Gegenteil beschlossen hat, beantwortet Reiser nicht. Sie lässt lediglich per Mail über ihre Referentin Lisa Hummel ausrichten, dass ihr Amt an der Beantwortung ähnlicher Fragen der Grünen arbeitet. Die Berliner Woche könne die Antworten „demnächst auf der Webseite der BVV Mitte einsehen“, schreibt Lisa Hummel.

Die Grünen-Anfrage hat Taylan Kurt geschrieben. Dem Verordneten ist vor soviel Ämterchaos die Hutschnur geplatzt. Auf drei Seiten fordert er unter der Überschrift „Warum hält sich das Bezirksamt nicht an seine eigenen Beschlüsse?“ Aufklärung über die dubiose Beauftragung. „Die Fachämter im Bezirksamt arbeiten nicht miteinander, sondern nebeneinander“, schimpft Kurt. Das Jugendamt setze sich über Beschlüsse des Bezirksamts hinweg und vergeude 100.000 Euro vom Senat „für eine nachgewiesenermaßen ineffektive Maßnahme“. Es gebe viele Träger, die mehr finanzielle Unterstützung brauchen. „Jetzt bekommt ein Träger Mittel, um für über 1000 Euro pro Vermittlung drei bis vier Jugendliche im Monat an die Schuldnerberatung zu vermitteln. Das ist unverantwortlich“, sagt Kurt. Das Geld werde aus dem Fenster geschmissen. „Die BVV wartet seit 1,5 Jahren darauf, dass Jugendamt und Sozialamt eine präventive Schuldnerberatung für Jugendliche einrichten“. Passiert ist bisher nichts. „Das Bezirksamt muss diese sinnlose Maßnahme stoppen und mit dem Geld endlich den Beschluss zur präventiven Jugendschuldnerberatung umsetzen“, fordert Taylan Kurt.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

47 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 556× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 842× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 819× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 1.197× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.