Kampf gegen Kutscher
Bezirksamt will Pferde schützen und fordert schärfere Leitlinien für Fuhrwerksbetriebe
Das Bezirksamt hat einem Pferdefuhrwerksbetrieb untersagt, in Mitte herumzufahren. Die Ablehnung des Kutscherantrags soll ein deutliches Zeichen sein, dass in Mitte das „Wohl der Tiere an vorderster Stelle steht“, so Bürgermeister Stephan von Dassel (Grüne).
Seit Jahren gibt es Ärger mit Pferdekutschen; für Tierschützer ist es pure Quälerei, wenn die Pferde Touristen durch die City ziehen. Vor allem im Sommer, wenn die Pferde in glühender Hitze vor dem Brandenburger Tor stehen oder Unter den Linden entlang schniefen, rufen besorgte Bürger beim Bezirksamt an. Doch ein generelles Verbot der Kutschfahrten ist nicht möglich. Das Ordnungsamt hatte im vergangenen Jahr eine straßenverkehrsbehördliche Anordnung erlassen, die das Befahren des Pariser Platzes mit Pferdekutschen untersagt. Wie das Bezirksamt mitteilt, „ist der Pariser Platz als Rastplatz tabu“. Allerdings sei „das Überfahren nach der derzeitigen verkehrsrechtlichen Anordnung möglich“.
Jetzt hat die Veterinäraufsicht des Ordnungsamtes einem gewerblichen Kutschpferdeunternehmer „die Erlaubnis zur Durchführung eines Reit- und Fahrbetriebes versagt“, wie von Dassel sagt. Der Kutscher soll in der Vergangenheit mit Verstößen gegen den Tierschutz aufgefallen sein. So habe der Unternehmer „unter anderem wiederholt gegen die vorgeschriebenen Pausenzeiten für Kutschpferde verstoßen“, heißt es. Die jetzige Versagung ist noch nicht rechtskräftig. Von Dassel will damit aber erneut „ein deutliches Zeichen setzen“. Die Kutscher sollen wissen, dass die Veterinäraufsicht auch in diesem Jahr intensiv kontrolliert.
Kutschen dürfen nicht im Dunkeln fahren
Von Dassel will, dass Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) die Berliner Leitlinien für Pferdefuhrwerksbetriebe „im Sinne des Tierwohls gründlich und noch vor der Sommerpause überarbeitet“. So soll es verboten werden, Pferdekutschen im Dunkeln fahren zu lassen. Von April bis September bis maximal 21 Uhr und von Oktober bis März bis maximal 19 Uhr will der Bezirk Mitte die Kutschfahrten beschränken. Grund dafür ist der Stress, dem die Pferde bei Dunkelheit und Kunstlicht wie zur Weihnachtszeit und beim Festival of Lights ausgesetzt sind. Von Dassel will auch eine Dokumentation von Druck- und Scheuerstellen im Fahrtenbuch. „Sollte kein beschatteter Pausenplatz mit naturbelassenem Untergrund in einem Bezirk zur Verfügung stehen, sollten in diesem Bezirk Pferdefuhrwerke nicht eingesetzt werden dürfen“, so von Dassel.
Die Verschärfung der Pferdekutschen-Leitlinien soll die Kutscher abschrecken. Die Fahrten komplett zu untersagen, ist sehr schwierig und muss unter anderem wegen des Rechts auf freie Ausübung des Gewerbes gut begründet sein. Der Bezirk nutzt deshalb alle Möglichkeiten, die er hat. Und das sind vor allem regelmäßige Kontrollen der Veterinäraufsicht auf Einhaltung des Tierschutzes. Bei tierschutzrechtlichen Verstößen kann der Bezirk durchgreifen. Bei Kontrollen kam immer wieder heraus, dass Droschkenführer gegen die Berliner Leitlinien für Pferdefuhrwerke verstoßen. Darin sind neben Dokumentationspflichten vor allem die Ruhezeiten für die Kutschpferde geregelt: Die Tiere müssen bei Temperaturen über 30 Grad Celsius im Schatten alle zwei Stunden eine 30-minütige Pause bekommen: unter einem überdachten Stand- oder Schattenplatz mit ausreichend Trinkwasser. Einen solchen Pausenplatz gibt es auf der westlichen Seite unter den Bäumen im Tiergarten.
Keine Kutschen in Innenstädten
Der rot-rot-grüne Senat hatte 2016 im Koalitionsvertrag auf Seite 156 zum Thema „Tierschutz stärken“ eindeutig formuliert: „In der Berliner Innenstadt sollen keine Pferdekutschen mehr fahren dürfen“. Passiert ist seitdem nichts. Eine Onlinepetition der Initiatorin Julia Maier aus München gegen das Verbot von Pferdekutschen in der Innenstadt hatten 2017 über 100 000 Leute unterschrieben.
Aktuell sind bei der Veterinär- und Lebensmittelaufsicht des Ordnungsamtes Mitte drei Kutschbetriebe angemeldet. Sie beschäftigen zusammen neun Kutscher. 17 Pferde sind unterwegs. Die entzogene Erlaubnis betrifft einen Kutscher, der mit einer Kutsche und vier Pferden gemeldet war. Die Kutschtouren führen vor allem durch die historische Mitte zum Gendarmenmarkt, Unter den Linden oder Pariser Platz.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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