Nächster Grüner sieht rot
Cüneyt Bülent Bilaloglu wechselt als zweiter Grünen-Verordneter zur SPD-Fraktion

Cüneyt Bülent Bilaloglu wechselt von den Grünen zur SPD. | Foto:  privat
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Bei den Grünen knallt es mächtig. Sechs Monate nach dem Wechsel des Grünen-Bezirksverordneten Nedim Bayat zur SPD-Fraktion sieht auch Cüneyt Bülent Bilaloglu rot und wechselt zu den Sozis. Beide türkischstämmigen Politiker sind enttäuscht vom Umgang der Grünen mit Migranten.

Haben die Grünen in Mitte ein Problem mit Migranten? Das behauptet nun schon der zweite Deutsche mit türkischen Wurzeln und wirft der Multikultipartei vor, Parteimitgliedern mit Migrationshintergrund nicht auf Augenhöhe zu begegnen. Cüneyt Bülent Bilaloglu – seit 2016 bei den Grünen und seit Januar 2018 als Nachrücker für Franziska Briest in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte – verlässt die Grünen jetzt im Zorn. Er attestiert seiner Partei „Kasten-Denken, Postengeschacher und Flügelkämpfe“ und ist enttäuscht darüber, wie die Partei mit Kritikern umgehe. Bilaloglu sagt, dass die Partei Mitglieder mit Migrationshintergrund nur dann unterstützt, „wenn du nach ihrer Pfeife tanzt“. „Wer eine eigene Meinung hat, wird zur Persona non grata“, so Bilaloglu, der keinem Parteiflügel angehöre.

Der 44-Jährige betont im Gespräch „seinen harten persönlichen Werdegang“ und seine beruflichen Erfolge. Obwohl der Rechtsanwalt und Diplom-Medienberater mit Kanzlei am Ku'damm sich als „Paradebeispiel für einen integrierten Türken“ sieht, würden Leute wie er immer noch nicht als gleichberechtigte Deutsche, sondern als Gastarbeiterkinder wahrgenommen. Grünen-Kreischef Tilo Fuchs habe ihm gesagt, „dass die türkische Bevölkerungsgruppe in Berlin keine Wähler der Grünen sei und damit für die Partei unwichtig“, schreibt Bilaloglu in seinem offenen Brief zum Parteiaustritt. Dies sei für ihn und alle mit türkischen Wurzeln ein Schlag ins Gesicht, heißt es in dem Schreiben. Tilo Fuchs habe damit sein „Traumbild von den Grünen zerstört“.

"Seltsames Verständnis von Migrationshintergrund"

Mittes Kreischef weist die Vorwürfe zurück. „Ich empfinde es als ein seltsames Verständnis von Migrationshintergrund, wenn man diesen wie Bülent Bilaloglu es in unserem Gespräch getan hat, sowohl einer aus Rumänien stammenden Senatorin (Ramona Pop, Anm.d. Red.) wie auch einem Vorstandsmitglied mit bosnischen Wurzeln abspricht. Aus der Analyse, welche Wählergruppe in welchem Maße in Mitte Bündnis90/Die Grünen gewählt hat, die Unterstellung abzuleiten, dass eine große Bevölkerungsgruppe insgesamt oder für unsere Politik unwichtig sei, ist völlig abwegig. Wir als Bündnis90/Die Grünen Berlin-Mitte fördern bewusst Parteimitglieder mit Migrationshintergrund. Das kann jeder sehen, der sich unsere Amts- und Mandatsträger anschaut“, so Fuchs. Und auch Grünen-Fraktionschef Johannes Schneider wehrt sich gegen die Vorwürfe an die Partei. „Noch im Sommer habe ich ihn gefragt, ob er nicht mehr Verantwortung in der Fraktion übernehmen möchte. Er lehnte dies mit der Begründung ab, dass er zufrieden sei und sich lieber punktuell einbringen möchte“, sagt Schneider.

Taylan Kurt ist nach dem Austritt der Zwei der letzte Grünen-Verordnete mit türkischen Wurzeln in der BVV. „Es ist einfach nur beschämend, ständig auf die eigene Herkunft reduziert zu werden, besonders, wenn es von Herrn Bilaloglu kommt. Er reduziert mit seinem Schreiben alle Menschen mit Migrationshintergrund faktisch auf ihre Herkunft statt auf das, wer sie sind und was sie tun“, so Kurt. Bilaloglu, der im Gespräch seine exzellente Ausbildung, Deutschkenntnisse und beruflichen Erfolge betont, attestiert Taylan Kurt hingegen nur Karrieredenken, „statt sein Studium zu beenden“. Bülent Bilaloglu habe sich nie für „sozial benachteiligte Personen, von denen besonders Menschen mit Migrationshintergrund betroffen sind, und auch nicht für ein friedvolles Miteinander in Mitte interessiert“, keift Kurt zurück. „Stattdessen zog er es vor, abwesend zu sein und wollte auch keinen fachpolitischen Sprecherposten“, so Kurt.

Bilaloglu nimmt Mandat mit

„Bülent Bilaloglu tritt wie Nedim Bayat den Wählerwillen mit Füßen und nimmt sein Mandat zugunsten der SPD mit, was zutiefst undemokratisch ist“, sagt Kurt. Dass er zur SPD geht, „in der Rassisten wie Tilo Sarrazin Mitglied sind, Ex-Bundesvorsitzender Sigmar Gabriel sagt, man müsse mit Leuten von Pegida reden, und die einzige Staatsministerin mit Migrationshintergrund in der Bundesregierung, Frau Özoguz, abgesägt wurde, ist ein schlechter Treppenwitz“, so Taylan Kurt. Genau deshalb sei er seinerzeit aus der SPD ausgetreten und zu den Grünen gegangen.

Bülent Bilaloglu sagt, dass seine Erwartungshaltung an die SPD eine andere sei. Die Arbeitsweise sei strukturierter, und in der SPD gebe es auch mehr Politiker mit Migrationshintergrund in Führungspositionen. Dass es auch „Idioten wie Sarrazin gibt, weiß ich.“

Durch den Wechsel zur SPD werden die Grünen in der BVV weiter geschwächt. Die SPD ist mit jetzt 16 Verordneten die stärkste Fraktion. Die Grünen haben nur noch 12 Mandate. Bei den BVV-Wahlen 2016 hatten die Grünen mit 23,9 Prozent hauchdünn die Nase vor den Sozialdemokraten (23,8 Prozent). Stephan von Dassel wurde erster Bürgermeister der Grünen im Bezirk und führt eine rot-grüne Zählgemeinschaft. SPD und Grüne hatten je 14 Mandate und mit 28 Sitzen eine hauchdünne Mehrheit im Bezirksparlament. Auch nach dem Übertritt von Nedim Bayat und jetzt Cüneyt Bülent Bilaloglu bleibt Stephan von Dassel Bürgermeister. „Wir wollen deshalb die Führung nicht übernehmen“, sagt SPD-Fraktionsvorsitzende Martina Matischok.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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