Streit der Sponsoren
Der Privatmann Wall ist Pate des Mahnmals auf dem Bebelplatz, nicht die Firma
Bürgermeister Stephan von Dassel und die für Straßen und Plätze zuständige Stadträtin Sabine Weißler (beide Grüne) lassen sich vom Unternehmer Hans Wall die Pflege und Wartung des Mahnmals auf dem Bebelplatz sponsern. Die Plakatfirma Wall, die seit 2016 nichts mehr mit der Gründerfamilie von Hans Wall zu tun hat, wollte ebenfalls zahlen.
Seit 1996 kümmert sich der Stadtmöblierer und Außenwerber Wall um das 1995 auf dem Bebelplatz eingeweihte Mahnmal zur Bücherverbrennung der Nazis. Weil täglich Tausende Besucher auf der Glasplatte stehen und in die „Versunkene Bibliothek“ schauen, wie das unterirdische Mahnmal mit leeren Bücherregalen heißt, zerkratzt das Glas schnell. Seit über zwei Jahrzehnten übernimmt die Wall AG alle Reingungs-, Wartungs- und Betriebskosten für die Lüftungsanlage. Die Glasplatte wurde bisher etwa vier bis fünf Mal pro Jahr ausgetauscht. Alles umsonst und ohne Gegenleistung. Der Pflegeeinsatz hatte nichts mit dem früheren Wall-Deal – Brunnenwartung und öffentliche Toiletten gegen zusätzliche Werbeflächen – zu tun. Der „pro bono“-Pflegevertrag für das Mahnmal war Ende 2018 ausgelaufen.
Hans Wall, Unternehmer im Ruhestand, hatte Bürgermeister von Dassel im Februar per E-Mail angeboten, die Wartungskosten zukünftig privat zu übernehmen. „Das ist ja schließlich mein Denkmal, ich habe das eingeführt“, sagt der 77-Jährige beim Pressetermin.
Plattenaustausch kostet 10 000 Euro im Jahr
Seine frühere Firma Wall AG ist als heutige Wall GmbH ein hundertprozentiges Tochterunternehmen des französischen „Weltmarktführers der Außenwerbung“ JCDecaux. „Wir hatten auch angeboten, uns weiter um das Mahnmal zu kümmern“, sagt Frauke Bank, Sprecherin der Wall GmbH. Dass Hans Wall jetzt Pate ist, habe ihr Unternehmen aus der Presse erfahren und zur Kenntnis genommen. „Dann ist das eben so“, sagt Bank. Bürgermeister Stephan von Dassel spricht von „ein paar Irritationen bei der Firma Wall, die wir ausräumen konnten“. Das Unternehmen sei auch an dem Thema drangewesen. Laut von Dassel war einiges „kommunikativ etwas missverständlich“. Die Firma Wall würde bestimmt schöne andere Beispiele finden, „wo sie Berlin helfen kann, schöner zur werden“, so der Bezirkschef. Grund für die Zurückhaltung des Bezirks sei das Ende des berlinweiten Toilettenvertrages gewesen, sagte Stadträtin Sabine Weißler. „Wir haben die ganzen Geschäftsbedingungen mit Wall ein bisschen neu sortiert“.
Um das Sponsoring wurde anscheinend hart gerungen. Der Bebelplatz und das Mahnmal sind prominent; Sponsoring ist hier gut fürs Image. Die Wall GmbH hat laut Frauke Bank trotz des Ende 2018 ausgelaufenen Pflegevertrags im Februar noch einmal die Glasplatte erneuert. Insgesamt betragen die Wartungskosten mit regelmäßigem Glasplattenaustausch etwa 10 000 Euro pro Jahr. Geld, dass das bezirkliche Straßenamt normalerweise bezahlen müsste. „Da geht es ja um viel mehr als den Austausch einer Glasplatte“, sagt Hans Wall in Bezug auf die Bedeutung des Mahnmals.
Erinnerung an Bücherverbrennung
Das Mahnmal „Versunkene Bibliothek“ auf dem Bebelplatz erinnert an die Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933. Nationalsozialistische Studenten hatten damals die Alte Bibliothek geplündert und mehr als 20 000 Bücher von Hunderten von Schriftstellern in der Mitte des Platzes verbrannt. Zum „undeutschen Schrifttum“ gehörten damals zum Beispiel Werke von Brecht, Kästner, Tucholsky, Heine, Marx und Ossietzky. Der israelische Künstler Micha Ullman hat 1995 zwischen Staatsoper und der ehemaligen Königlichen Bibliothek mitten auf dem Bebelplatz einen fünf Meter tief in den Untergrund versenkten Ort der Stille gestaltet. Der gesamte Bebelplatz ist laut Ullman dabei das Denkmal. Eine Tiefgarage durfte deshalb nicht gebaut werden. Und nach ewigen Protesten durfte auch die Fashion Week nicht mehr ihre Laufstege auf dem Bebelplatz aufbauen.
Hans Wall hatte 2009 gegen den Willen seines Sohnes Daniel Wall beschlossen, seine Anteile am Unternehmen an JCDecaux zu verkaufen. Hans Wall blieb bis Ende 2011 Vorsitzender des Aufsichtsrats und schied mit 70 Jahren 2012 aus. Sein Sohn Daniel Wall leitete das Unternehmen Wall AG bis Ende 2015 als Vorstandsvorsitzender weiter. Mit dem Ausscheiden von Daniel Wall Ende 2015 wurde die Wall AG 2016 in Wall GmbH umbenannt. Hans Wall ist Vorsitzender des Vereins „Denk mal an Berlin“ und wurde für sein ehrenamtliches Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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