Dreijähriger Rechtsstreit: Betreiber verhüllt zehn Ganzkörperplastinate

Gunther von Hagens und Ehefrau Angelina Whalley vor einem der zehn verhüllten Ganzkörperplastinate. | Foto: Dirk Jericho
12Bilder
  • Gunther von Hagens und Ehefrau Angelina Whalley vor einem der zehn verhüllten Ganzkörperplastinate.
  • Foto: Dirk Jericho
  • hochgeladen von Dirk Jericho

Mitte. Der dreijährige Rechtsstreit zwischen dem Menschen Museum am Alexanderplatz und dem Bezirksamt wird immer bizarrer. Jetzt mussten die Betreiber zehn Ganzkörperplastinate verhüllen.

„Zensiert durch das Bezirksamt Mitte“ oder „Hier bevormundet Sie der Bezirk Mitte“ steht an den mit Goldfolie verhüllten Toten. Hier war nicht Verpackungskünstler Christo am Werk. Museums-Chefin Angelina Whalley, Ehefrau des Leichen-Plastinators Gunther von Hagens, musste zehn spektakulär inszenierte Körper wie die Ballettturnerin aus der Ausstellung entfernen oder verhüllen, so die Auflage des Verwaltungsgerichts von September.

Die Richter stellten zwar klar, dass anders als vom Bezirk gefordert, das Institut für Plastination als anatomisches Institut „nicht gegen das bestattungsrechtliche Verbot verstößt, Leichen öffentlich auszustellen.“ Allerdings müssten alle Exponate eindeutig den Körperspendern zugeordnet werden können. Die Körperwelten-Macher konnten Einzelverfügungen für zehn ältere Plastinate nicht erbringen, weil die Toten bisher anonymisiert wurden – eine weltweit gängige Praxis in anatomischen Instituten und Museen. Sie könne nicht mit Sicherheit sagen, wer genau zum Beispiel die Turnerin ist, aber garantieren, dass die beanstandeten Plastinate aus einem Pool von 53 Körperspender-Verfügungen stammen, so Whalley. Ihr Institut werde beim Oberverwaltungsgericht in Berufung gehen.

Für Angelina Whalley ist der Versuch des Bezirksamtes Mitte, „uns zu Fall zu bringen“, „Behördenwillkür, Zensur und Gängelung“. Es gehe nicht um Recht und Ordnung, sondern „um wenige Lokalpolitiker, die das verhindern wollen“. Bis zu einer Entscheidung im Rechtsstreit hat das Menschen Museum nun die zehn Ganzkörperplastinate verhüllt. Fünf neue sind hinzugekommen, bei denen eine Zuordnung zum Spender möglich ist. Sie wurden vor nicht so langer Zeit im Gubener Plastinarium hergestellt und am Ende der Präparation nicht anonymisiert.

Im Menschen Museum sind jetzt aber vor allem in Szene gesetzte Tiere zu sehen. Darunter ist der plastinierte Berliner Löwe „Icke“, der zähnefletschend auf eine Antilope springt, ein Yak oder „eine Gefäßgestalt eines Einhorns“.

Philosophie-Professor Franz Josef Wetz sprach bei der Wiedereröffnung des MeMu nach mehrtägiger Schließung von „Ungleichbehandlung, Behördenwillkür und persönlicher Voreingenommenheit“. Die anatomische Sammlung der Charité und weitere 30 deutsche Anatomische Sammlungen müssten ebenfalls sofort schließen, wenn man der Argumentation des Bezirks folgt. Den Vorwurf der Verletzung der postmortalen Würde hält der Professor für „aus der Luft gegriffen“. Gleiches könne man auch behaupten, wenn Menschen zur Transplantation zerlegt, von Studenten zu Übungszwecken zerschnippelt oder Körper verbrannt und in einem anonymen Grab bestattet werden. Für Wetz sind 45 Millionen Besucher in 20 Ländern, die bis jetzt von Hagens Körperwelten-Ausstellungen gesehen haben, Beweis für die Achtung der Totenwürde. In den Ausstellungen gehe es immer ruhig und würdig zu. 

Plastinator Gunther von Hagens, der wegen seiner fortgeschrittenen Parkinson-Erkrankung eigentlich nicht mehr öffentlich auftreten wollte, sprach unter Tränen von einem „kulturpolitischen Trauerspiel“. Der in der DDR aufgewachsene 72-jährige Anatom, der nach missglücktem Fluchtversuch und zwei Jahren Stasiknast vom Westen freigekauft wurde, fühlt sich „in die DDR zurückversetzt“. „Die Politiker im Bezirksamt führen sich auf wie vor der Wende Parteibonzen der DDR-Diktatur“, sagte er. Über 20 Körperspender, die für den Erhalt des MeMu demonstrierten, quittierten Gunther von Hagens Rede mit stehendem Applaus. Die Museumsmacher hatten bunte Plakate vorbereitet, mit denen die zukünftigen Plastikleichen vor dem Museum protestierten.

Insgesamt hat von Hagens Institut 17.000 Körperspender, die plastiniert werden wollen, in der Datei. Für Oliver Marcks (50) ist Körperspende würdevoll, wie auf dem Plakat steht, das er vor dem Fernsehturm hochhält. Sein verstorbener Vater, von Beruf Arzt, ließ sich bereits plastinieren und auch seine Mutter will ihren Körper zur öffentlichen Begutachtung zur Verfügung stellen.

Was aus den Körperspendern wird, wissen diejenigen nicht, die sich für die Plastination melden. „Vielleicht werde ich als Teilplastinat irgendwo rumgereicht“, so der Spandauer. Für ihn ist das allemal besser, „als von Maden zerfressen zu werden“. DJ

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

48 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Schonende Verfahren für Ihre Rückengesundheit werden am 19. März vorgestellt. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Informationen für Patienten
Minimal-Invasive Wirbelsäulenchirurgie

Leiden Sie unter anhaltenden Rückenschmerzen oder Wirbelsäulenbeschwerden? Moderne minimal-invasive Operationsverfahren ermöglichen eine schonendere Behandlung mit schnelleren Genesungszeiten. Erfahren Sie mehr über innovative Therapiemöglichkeiten bei unserem Infoabend mit Dr. (Univ. Kermanshah) Kamran Yawari, Teamchefarzt des Caritas Wirbelsäulenzentrums. In seinem Vortrag erläutert er die Vorteile minimal-invasiver Wirbelsäulenchirurgie und zeigt auf, wann und für wen diese Methoden sinnvoll...

  • Reinickendorf
  • 18.02.25
  • 98× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es gibt und wie moderne Behandlungsmöglichkeiten helfen können.  | Foto: pixel-shot.com, Leonid Yastremskiy

Proktologie: Ende gut, alles gut!

Unser Darm ist mit seinen 5 bis 7 Metern Länge ein wahres Wunderwerk unseres Körpers. Doch wenn es am Ende des Darms zu Erkrankungen kommt, kann das die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen – auch wenn man es nicht sieht. Aus Scham werden diese Probleme oft verschwiegen, dabei gibt es in den meisten Fällen gute Behandlungsmöglichkeiten. Wir laden Sie herzlich zu unserem Informationsabend ein! Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es...

  • Reinickendorf
  • 19.02.25
  • 49× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Patienten fragen
Steine in der Gallenblase – was nun?

Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem. Etwa jede fünfte Person in Europa ist betroffen, und fast die Hälfte entwickelt im Laufe des Lebens Beschwerden. Diese äußern sich meist in Form von wiederkehrenden Schmerzen, insbesondere im rechten Oberbauch. In einigen Fällen können Gallensteine zu ernsthaften Komplikationen wie einer Entzündung der Gallenblase führen. Die bevorzugte Therapie bei Beschwerden ist die operative Entfernung der Gallenblase – in der Regel...

  • Reinickendorf
  • 12.02.25
  • 459× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Informieren Sie sich über Intensivmedizin. | Foto: 2022 Tomasz Kuzminski

Infoabend am 11. Februar
Grenzen und Möglichkeiten der Intensivmedizin

Die Intensivmedizin hat erstaunliche Fortschritte gemacht und bietet schwerstkranken Patienten Überlebenschancen, die früher undenkbar waren. Doch wo liegen die Grenzen dieser Hochleistungsmedizin? Welche technischen, personellen und ethischen Herausforderungen gibt es? Besuchen Sie unseren Infoabend mit Priv.-Doz. Dr. Stephan Kurz und erfahren Sie, wie intensivmedizinische Maßnahmen Leben retten, aber auch komplexe Entscheidungen erfordern. Was geschieht, wenn Therapieoptionen ausgeschöpft...

  • Reinickendorf
  • 29.01.25
  • 1.060× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.