"Zwischen Entsetzen und Unverständnis"
Frank Bertermann ist ein grünes "Urgestein" - doch in der neuen BVV ist er nicht mehr dabei
Über die Bürgerbewegung „Demokratie Jetzt“ kam Frank Bertermann zu den Grünen. Seit 1994 sitzt er in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), seit zweieinhalb Jahren leitet er sie. Nun verabschiedet sich der 59-Jährige von der politischen Bühne – allerdings nicht freiwillig. Die Grünen haben ihm die nötige Mehrheit für eine erneute Kandidatur verweigert. Im Interview mit Berliner-Woche-Reporterin Ulrike Kiefert spricht der Moabiter von einer Rufmordkampagne gegen ihn und dass man sich immer zwei Mal im Leben sieht.
Sie werden dem neuen Bezirksparlament nicht mehr angehören. Bei der BVV-Listenwahl Ende Mai verweigerten die Grünen Ihnen überraschend die nötige Mehrheit. Kennen Sie die Gründe?
Frank Bertermann: Die Gründe liegen wohl in dem altbekannten Grundsatz „Freund, Feind, Parteifreund“. In den vergangenen 26 Jahren gab es keine mir gegenüber geäußerte inhaltliche Kritik an meiner stadtentwicklungspolitischen und mietenpolitischen Arbeit. Bei besagter Wahl hatte ich zwei Möglichkeiten, mich der Parteibasis vorzustellen: virtuell mit einer Befragung und direkt auf der Wahlveranstaltung. In beiden Runden fragte mich lediglich ein mir unbekanntes Kreisverbandsmitglied, welche Verantwortung ich als Fraktionsmitglied darin sehe, dass zum Beginn der Wahlperiode so viele junge Frauen die Fraktion schnell verlassen hätten. Vor dem Hintergrund, dass die damaligen Fraktionsvorsitzenden zwei junge Frauen waren und eine Bezirksverordnete kurz nach der Wahl im Bezirksamt angestellt wurde, sie daher nicht gleichzeitig in der BVV sitzen konnte, zeigt die Frage deutlich, welche Rufmordkampagne da wohl gegen mich lief. Ich weiß auch, wer dahintersteckt, aber das ist eher nichts für eine Presseveröffentlichung.
Sie sind ein „Urgestein“ der Grünen, gelten als fair und sachlich, und werden auch im Bezirksamt als Stadtentwicklungsexperte geschätzt. Was sagen Sie Ihrer Partei, die auf Ihre Fachkompetenz künftig verzichten will?
Bertermann: Dass langjährige Fachkompetenzen bei den Grünen in Mitte ersichtlich noch lange kein Grund für eine Nominierung auf einer BVV-Liste sind.
Welche Reaktionen bekamen Sie nach Ihrer "Abwahl"?
Bertermann: Die Reaktionen lagen zwischen Entsetzen und Unverständnis. Vor allem von denen, für die ich mich in den letzten Jahrzehnten eingesetzt habe. Das war sehr aufbauend und hat mir gezeigt, dass ich wohl doch nicht alles falsch gemacht habe kann, wie die Entscheidung, mich politisch zu entsorgen, vermuten lassen würde.
Die Grünen haben sich nicht nur von Ihnen so radikal verabschiedet. Nur zwei der zwölf Fraktionsmitglieder haben es auf die BVV-Liste geschafft. Was steckt Ihrer Meinung nach hinter der Entscheidung?
Bertermann: Das können nur die beantworten, die diese Entscheidungen zu vertreten haben. Vor dem Hintergrund der politischen Auseinandersetzungen um die Räumungen von Obdachlosen im Tiergarten, der Ausweisungsforderungen insbesondere polnischen Obdachlosen gegenüber und der Forderung nach einer Vertreibung der Prostituierten auf der Kurfürstenstraße kann man sich Eins und Eins zusammenrechnen, wenn man berücksichtigt, wer noch "gegangen wurde".
Wie geht es nach der Wahl für Sie persönlich weiter? Werden Sie sich aus der Lokalpolitik zurückziehen?
Frank Bertermann: Die Frage wurde mir schon oft gestellt. Ehrlicherweise weiß ich noch nicht, wo ich mir nach 26 Jahren ein neues, so zeitintensives "Hobby" suche. Üblicherweise ist meine Antwort: Ich mache mit meinem Fraktionskollegen Oliver Kociolek, der ebenfalls nicht "politisch überlebt" hat, die Waldorf-und-Statler-Nummer. Da wäre es ganz hilfreich, wenn der neue BVV-Saal, der im Rathausneubau am ehemaligen Haus der Statistik entstehen soll, einen Balkon bekommt. Von dort könnten wir dann genüsslich die Bezirksverordnetenversammlung kommentieren. Auf jeden Fall hatte ich mir für die letzte BVV meiner "Karriere" extra ein T-Shirt mit der Aufschrift "I'll be back!" geholt. Denn bekanntlich sieht man sich ja immer zwei Mal im Leben.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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