Medizinische Hilfe für die Armen
Im Auftrag von German Doctors war der Berliner Jan Sandig sechs Wochen in Bangladesch tätig
23. Breitengrad, 90. Längengrad. Das Thermometer zeigt 31 Grad im Schatten. Die Luft ist stickig und feucht. Es ist laut. Der Gestank von vergammelten Lebensmitteln und toten Tieren ist allgegenwärtig. Jan Sandig ist soeben in Dhaka angekommen.
Der junge Berliner Arzt wird in den nächsten sechs Wochen Kinder und Erwachsene in den Slums von Bangladeschs Hauptstadt behandeln. Der 32-jährige Jungmediziner befindet sich im dritten Jahr seiner Ausbildung zum Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin. Er ist zum ersten Mal ehrenamtlich für die Nichtregierungsorganisation German Doctors (www.german-doctors.de) im Einsatz. Der Verein mit Sitz in Bonn wurde 1983 gegründet. Jedes Jahr gehen über 300 Ärzte für German Doctors unentgeltlich in medizinische Notstandsgebiete, in die Slums von Großstädten oder in abgelegene ländliche Gegenden von Indien, Bangladesch, Kenia, Sierra Leone und auf den Philippinen.
Jan Sandigs Leitmotiv ist ein Satz von Alexander von Humboldt: Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die Weltanschauung derer, die die Welt nie angeschaut haben. Also will sich Jan Sandig ein eigenes Bild von der Welt machen. Ein Kontrastprogramm zu westlicher Hightech-Medizin der Intensivstation für Neugeborene an der Charité, wo Jan Sandig arbeitet.
Schon während seines Medizinstudiums in Hamburg wollte er die Gesundheitsversorgung ferner Länder kennenlernen. Er reiste nach Australien, Tansania und Südafrika. „Was man dort sieht, fixt einen an“, sagt der hochgewachsene Mann über sein Engagement für German Doctors. Und weiter: „Ich wollte nach dem Studium im Ausland Erfahrungen sammeln.“
Die Sinnhaftigkeit stets hinterfragt
Während seiner Vorbereitung auf den Einsatz hätten ihn einige Gesprächspartner deutlich auf die Grenzen seines Kurzeinsatzes hingewiesen. Das sei für ihn aber nie demotivierend gewesen, schreibt Jan Sandig in seinem Blog (www.doktorsandmann.de). In ihm dokumentiert er ausführlich die Erfahrungen seines sechswöchigen Einsatzes in Dhaka. Hier hält er seine Gedanken zu sozialen, wirtschaftlichen und Umweltfragen fest. „Sie halfen mir stets, mich und die Sinnhaftigkeit des Einsatzes zu hinterfragen.“
Sonntag, Beginn der Arbeitswoche. Beginn eines acht- bis zehnstündigen Arbeitstages. Es ist 7.30 Uhr. Jan Sandig und eine German Doctors-Kollegin, mit der er sich eine Wohnung in einem Dhakaer Viertel der Mittelschicht teilt, treffen sich mit einer einheimischen Krankenschwester und einer Apothekerin und dem Fahrer, der das Team im Wagen an mehrere Orte in den Slums der Neunmillionen-Stadt fährt.
Bangladesch ist ein muslimisches Land. „Alle sind freundlich, hilfsbereit, aufgeschlossen. Sie wollen fachlich etwas lernen“, erzählt Jan Sandig. Für die wenigen Kilometer brauchen die German Doctors zwei Stunden. Dhaka erstickt im Verkehr – und im Müll. „Ein Riesenproblem“, sagt Sandig. „Die Leute werfen alles auf die Straße oder in den Fluss.“
Der Müll, der, wenn überhaupt, nur schleppend eingesammelt wird, und die mangelnde Hygiene – die Stadt hat keine Kanalisation – verursachen die Erkrankungen der Armut, die Jan Sandig diagnostiziert: Durchfall, Krätze, Tuberkulose. Beinahe alle Frauen, die der junge Arzt behandelt, haben Eisenmangel.
Auch ihre Kinder sind mangel- oder unterernährt. Ein Fall, der Jan Sandig sehr bewegt hat, war der eines Babys, das nur zwei Kilo wog. Fleisch, der Lieferant für den lebenswichtigen Mineralstoff Eisen, ist teuer. Und teuer für die Armen ist auch eine medizinische Behandlung. „Eine allgemeine gesetzliche Krankenversicherung wie bei uns gibt es nicht“, sagt Jan Sandig. Die Behandlung durch die German Doctors ist für die Slumbewohner in Dhaka kostenlos. Außerdem gehören Hygieneschulungen und die fachliche Ausbildung Einheimischer zu den Angeboten der Hilfsorganisation.
Jan Sandig ist wieder zurück aus Dhaka. „Die Unterschiede zu einem Leben in Deutschland sind unvorstellbar“, sagt der angehende Kinderarzt. Wenn er seinen Facharzt in der Tasche hat, will der frisch gebackene Familienvater mit Frau und Kind vielleicht für ein paar Jahre ins Ausland gehen. Zum Beispiel nach Eritrea, um dort eine Intensivstation für Neugeborene aufzubauen. Oder aber nach Brandenburg. Denn auf dem platten Land herrscht Ärztemangel.
Weitere Informationen gibt es auf www.german-doctors.de und www.doktorsandmann.de.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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