„Unterschiede sind ein Schatz“
Josephine Macfoy über den Wert von Engagement für eine offene Gesellschaft

Berliner-Woche-Redakteurin Josephine Macfoy: „Ich habe das Gefühl, Rassismus ist mittlerweile ein Ventil für alle möglichen Unzufriedenheiten geworden.“ | Foto: Christian Hahn
  • Berliner-Woche-Redakteurin Josephine Macfoy: „Ich habe das Gefühl, Rassismus ist mittlerweile ein Ventil für alle möglichen Unzufriedenheiten geworden.“
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Die Black-Lives-Matter-Bewegung hat auch bei uns die Diskussionen über Diskriminierung und Alltagsrassismus noch einmal intensiviert. Und so ist es nicht verwunderlich, dass auch viele Initiativen und Organisationen der Berliner Engagementszene ihren Einsatz für eine vielfältige Stadtgesellschaft gegen Intoleranz und Ausgrenzung verstärkten.

Anlässlich der 10. Berliner Engagementwoche im September sprach René Tauschke von der Landesfreiwilligenagentur mit unserer Redakteurin Josephine Macfoy darüber, was Engagement für eine offene Gesellschaft leisten kann. Wir geben hier einen Ausschnitt aus dem Interview wieder.

2020 stand die Berliner Engagementwoche unter dem Motto „Lern.Ort.Engagement“. Was bedeutet es für dich? Was hast du aus dem Engagement gelernt?

Josephine Macfoy: Die Engagementkultur Berlins ist ein Beweis dafür, dass es grundsätzlich ein großes Potenzial in der Bevölkerung gibt, einander zu unterstützen. "Lern.Ort.Engagement" bedeutet für mich, dass Menschen zusammenkommen, vor Ort in den Kiezen, voneinander lernen und gemeinsam etwas Gutes für die Stadt schaffen.

Du hast dich in die aktuelle Rassismusdebatte eingemischt. Wie präsent ist Rassismus in Berlin?

Josephine Macfoy: Ich habe das Gefühl, er ist mittlerweile ein Ventil für alle möglichen Unzufriedenheiten geworden. Viele Menschen haben Angst vor einem sozialen Abstieg. Oft wird dieser den vermeintlich "anderen" angelastet, mittels einfacher Feindbilder. An ganz vielen Stellen der Gesellschaft gibt es gerade solche Spannungen. In den letzten Jahren wurde dabei immer weniger miteinander, viel mehr gegeneinander geredet.

Warum fällt es der deutschen Gesellschaft so schwer, sich einzugestehen, dass Rassismus noch weit verbreitet ist?

Josephine Macfoy: Das hat mit Selbstreflexion zu tun. Es gibt einen Widerwillen, darüber nachzudenken, welche Vorurteile man selbst hat. Der kommt wohl daher, dass es unangenehm sein kann, an sich zu arbeiten. Ich bin aber überzeugt, dass das die einzige Möglichkeit ist, in einer globalisierten Welt friedlich zusammenzuleben.

Wer kann die Menschen zur Selbstreflexion anstoßen? Schaffen es die zivilgesellschaftlichen Akteure?

Josephine Macfoy: Jeder kann das, indem er oder sie ein Beispiel ist und einschreitet, wenn andere beleidigt, ungerecht behandelt oder angegriffen werden. Als Mensch, der hinter den Werten des Grundgesetzes steht, sollte man es nicht zulassen, dass von wenigen das Zusammenleben vergiftet wird. Es gibt auch viele Formate für einen Austausch mit Betroffenen. Man muss nicht 100 Bücher lesen, man kann den Leuten auch einfach offen zuhören und darüber nachdenken. Für solche Begegnungen spielen Initiativen eine große Rolle.

Was haben Initiativen bereits erreicht? Was können sie noch erreichen?

Josephine Macfoy: Sie bringen die Menschen zusammen. Gerade in Berlin sitzen wir auf einem großen Schatz: Hier leben ganz unterschiedliche Menschen überwiegend friedlich zusammen. Wenn man bestärkt, dass Menschen aufeinander zugehen und sich mit anderen Meinungen, Lebensweisen und Identitäten auseinandersetzen, kann man nachhaltig etwas verändern.

In den letzten Jahren gab es viele Ereignisse, die Zweifel an einer Entwicklung hin zu einer friedlichen Gemeinschaft aufkommen lassen. Hat die Intensität von Rassismus zugenommen?

Josephine Macfoy: Wenn ich an meine Kindheit denke, dann hatte ich immer das Gefühl, die Gesellschaft geht auf Versöhnlichkeit zu. In den letzten zehn Jahren ist es, sicherlich auch durch den Ton in der Politik und die Möglichkeiten, die es online für intolerante Menschen gibt, aber gesellschaftsfähiger geworden zu hetzen. Gleichzeitig wurde Rassismus immer wieder als Ausnahme heruntergespielt und als Problem einer Randgruppe dargestellt. Was deshalb fehlte, war die Solidarität. Fast jeder kennt aber Menschen mit Migrationshintergrund als Nachbarn, Freunde, Kollegen. Das Ziel des Hasses ist die Mitte der Gesellschaft.

Welche Strukturen müssten für eine offene Gesellschaft noch geschaffen oder gestärkt werden?

Josephine Macfoy: Alles, was in Richtung zivilisierte Diskussion geht, ist richtig und wichtig. Ich erlebe häufig, dass Menschen dicht machen, wenn sie merken, das Gegenüber ist anderer Meinung. Wir müssen uns trainieren, die Vielfältigkeit von Menschen auszuhalten. Dafür braucht es auch positive Gemeinschaftserlebnisse: Straßenfeste, gemeinsames Engagement im Sportverein oder Projekte, die die Kieze verbinden.

Das ungekürzte Interview können Sie nachlesen im Internet auf hier.

Autor:

Hendrik Stein aus Weißensee

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