Wahlkampf mit Gartenzwergen
Kleingärten sollen per Gesetz gesichert werden
Berlin ist die Stadt der Laubenpieper. Mit rund 70 000 Kleingartenparzellen ist die Hauptstadt Weltspitze bei privaten Koloniegärten. Wenn man die Nutzer pro Schrebergarten zusammenrechnet, kommt man locker auf 300 000 Menschen, die eine Scholle pflegen.
Ein Bierchen vor der Laube, Würstchen auf dem Grill und frisches Gemüse vom eigenen Beet: Laubenpieper zu sein, ist Idyll pur inmitten der Natur. Und immer mehr wollen ein Stückchen Glück pachten; die Wartelisten in den Vereinen werden immer länger. Viele Kleingartenvereine haben sie längst geschlossen. In Corona-Zeiten sind die Kleingärten begehrter denn je, die eigene Scholle scheint der sicherste Ort vor dem Virus zu sein. Auf rund 2900 Hektar gärtnern über 70 000 Pächter. Die über 1000 Kolonien nehmen rund drei Prozent der gesamten Stadtfläche ein.
Kleingartenvereine kämpfen
um jeden Quadratmeter
Immer wieder mussten Schrebergärten Wohngebieten und Gewerbebauten weichen. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind im Innenstadtbereich rund die Hälfte der Kleingärten verschwunden. Und auch heute kämpfen die Kleingartenvereine um jeden Quadratmeter.
82 Prozent der Schrebergärten bis 2030 sicher
Die rot-rot-grüne Koalition hat die dauerhafte Sicherung der Kleingärten in ihr Programm geschrieben. Der Senat hat einen Kleingartenentwicklungsplan 2030 (KEP) beschlossen, der zumindest bis dahin 82 Prozent der existierenden Schrebergärten dauerhaft sichert. Das sind die Flächen, die bereits im Flächennutzungsplan (FNP) als Grünfläche/Kleingarten ausgewiesen sind. Andere sind planungsrechtlich noch mögliche Bauflächen für die boomende Stadt, die überall Platz für Wohnungen, Kitas und Schulen braucht. Trotz KEP werden noch knapp 500 Parzellen vor 2030 verschwinden, weil Berlin das Land für Kitas und Schulen braucht.
Kleingärten sind wichtig fürs Stadtklima
Dass die Kleingärten extrem wichtig sind für das Stadtklima, darüber sind sich mittlerweile alle parteiübergreifend einig. Die grünen Oasen sind besonderes Stadtgrün, Biotop, Kaltluftschneisen und wichtiger Ort der gesunden Ernährung und Selbstversorgung mit Obst und Gemüse. Immer mehr wird jedoch auch die Bedeutung der Kolonien als Begegnungs- und Bildungsorte für jeden Städter und vor allem für Kitas oder Senioren gesehen. Vor allem die Grünen wollen, dass die Laubenpieper auch "Gartenlose" in ihr Reich lassen und die Vereine für alle Gemeinschaftsgärten und Mitmachmöglichkeiten bieten. „Das gibt es in immer mehr Anlagen“, sagt Michael Matthei, Präsident des Landesverbandes der Gartenfreunde Berlin.
Gesetzentwurf sei ein "Quantensprung"
Berlins oberster Kleingärtner fordert seit Jahren, eine rechtsverbindliche gesetzliche Sicherung der Kleingärten. Den von den Linken und der SPD jetzt vorgestellten Entwurf für ein – Achtung, neues Wortungetüm – Kleingartenflächensicherungsgesetz, unterstützt er und nennt den Vorstoß einen „Quantensprung“. Auch wenn es noch viele Detailfragen gibt, geht das für Matthei in die richtige Richtung. Die Grünen als Koalitionspartner wollen im Prinzip das gleiche wie SPD und Linke – Schutz der Kleingärten und mehr Öffnung für die Gesellschaft –, halten den Gesetzentwurf aber für falsch, weil Berlin keine Landesgesetzgebungskompetenz habe. Das Bundeskleingartengesetz stehe darüber. Ein Gutachten des wissenschaftlichen Parlamentsdienstes hatte das bestätigt, den überarbeiteten Gesetzesentwurf allerdings nicht bewertet.
Für die Grünen ist der Gesetzentwurf
"Sand in die Augen streuen"
Für Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel ist der Entwurf ein „Kleingärtnerveräpplungsgesetz“, das „keine Fläche sichert“. Die Verwaltungen sollten stattdessen die neun Jahre Atempause, die der KEP bietet, nutzen, um alternative Flächen für dringend benötigte Wohnungen zu finden. Der Senat könnte Bahnflächen ankaufen oder andere Konzepte für den Wohnungsbau entwickeln, etwa auf Parkplätzen oder Supermärkten. Der politische Streit um die Zukunft der Kleingärten wird kurz vor der Wahl im Herbst zum Koalitionszoff. Die im Gesetzentwurf geforderte Änderung des Flächennutzungsplans und Ausweisung der Gärten als Grünfläche hätte das von den Linken geführte Stadtentwicklungsressort längst angehen können, so Gebel. Das, was Daniel Buchholz (SPD) und Marion Platta (Linke) vorgestellt hätten, sei „Sand in die Augen streuen“, sagt Gebel. Beide Politiker kandidieren nicht mehr für die Wahlen im September.
Wer sich weiter informieren möchte: Der Entwurf zum Kleingartenflächensicherungsgesetz steht auf https://bwurl.de/16fr. Kontakt zum Landesverband der Gartenfreunde Berlin gibt es auf www.gartenfreunde-berlin.de oder telefonisch unter 30 09 32-0.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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