Zahl der Beschwerden steigt
Knapp zwei Drittel mehr Fälle bei Ombudsstelle gegen Diskriminierung
Bei der Landesstelle für Gleichbehandlung und gegen Diskriminierung (LADG-Ombudsstelle) sind seit Januar 590 Beschwerden eingegangen. Zum gleichen Zeitpunkt 2022 waren es 366 Beschwerden. Das ist ein Anstieg um 64 Prozent.
Von den 590 Beschwerden bezogen sich aber nur 241 Beschwerden auf das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG). 349 Beschwerden betrafen unter anderem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das geht aus den Antworten von Micha Klapp (SPD), Staatssekretärin für Arbeit, Frauen und Gleichstellung, auf eine Anfrage der Abgeordneten Elif Eralp (Die Linke) hervor. Die Ombudsstelle berät Betroffene kostenfrei zum LADG, das im Juni 2020 in Kraft trat. Das Gesetz soll Bürger vor Diskriminierung schützen, „die von Berliner Behörden und Berliner öffentlichen Einrichtungen ausgeht“, heißt es auf der Internetseite der LADG-Ombudsstelle. Ombudsfrau des Senats ist Doris Liebscher.
Im ersten deutschen Landesantidiskriminierungsgesetz steht, dass in öffentlichen Einrichtungen „kein Mensch auf Grund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, einer rassistischen und antisemitischen Zuschreibung, der Religion und Weltanschauung, einer Behinderung, einer chronischen Erkrankung, des Lebensalters, der Sprache, der sexuellen und geschlechtlichen Identität sowie des sozialen Status diskriminiert werden“ darf.
Die meisten Beschwerden richteten sich in insgesamt 59 Fällen gegen die Bezirksämter und ihre Fachämter wie Jugendamt (13), Sozialamt (elf), Bürgeramt (neun), Standesamt (acht) und Ordnungsamt (fünf). Es folgen Diskriminierungsbeschwerden gegen Schulen, Kitas und Hochschule (45), Anstalten des öffentlichen Rechts wie BVG oder Bäder-Betriebe (37) und Polizei (16). Allein über die BVG gab es 32 Beschwerden. Bekannter Fall: Ein schwarzer Fahrgast hatte gegen die BVG geklagt, weil er sich von den Kontrolleuren rassistisch diskriminiert und angegriffen fühlte, und im Juli vom Amtsgericht Mitte Recht bekommen. Weitere Beschwerden betrafen Senatsverwaltungen (15), Landesbehörden (13) wie zum Beispiel das Landesamt für Gesundheit und Soziales und das Landesamt für Einwanderung sowie städtische Wohnungsbaugesellschaften (sechs).
Am häufigsten fühlten sich die Leute wegen „rassistischer Zuschreibung/ethnischer Herkunft“ diskriminiert (79). In 62 Beschwerden waren „Behinderung/chronische Erkrankung“ der Grund. Es folgen gemeldete Diskriminierungen wegen des Geschlechts (35), des soziales Status (30) und der geschlechtlichen Identität (24).
Die Ombudsstelle berät kostenlos zu rechtlichen Möglichkeiten und strebt außergerichtliche Streitbeilegungen an. Sie kann Stellungnahmen der beschuldigten Behörden einholen. Weil oft viele Beteiligte gehört werden müssen, können LADG-Beschwerdeverfahren schon mal anderthalb Jahre dauern. Kürzer als in drei Monaten wurde bisher kein Diskriminierungsfall bearbeitet. Von den seit Januar 2023 eingegangenen Beschwerden sind derzeit noch 125 in Bearbeitung; 118 wurden bereits abgeschlossen.
Staatssekretärin Micha Klapp führt den starken Anstieg der Beschwerdezahlen auch auf die steigende Bekanntheit der LADG-Ombudsstelle zurück. Dabei hätten auch „überregionale Presseberichte zur Ombudsstelle und zu einigen prominenten Fällen eine Rolle gespielt“, so Micha Klapp. Neben dem US-Opernsänger Jeremy Osborne, der die BVG erfolgreich verklagt hat, war das die Berlinerin Lotte Mies. Ihre Beschwerde, weil sie wegen „oben ohne“ aus einem Schwimmbad flog, hatte bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Inzwischen erlauben die Berliner Bäder-Betriebe jedem Badegast, auf Wunsch das Bikinioberteil wegzulassen. Eine Infokampagne der Antidiskriminierungsstelle Ende 2022 im „Berlin Fenster“ der BVG hat ebenfalls „zu einem spürbaren Anstieg von Beschwerden geführt“, so Klapp. Eine weitere Kampagne zum LADG und zu den Beschwerdemöglichkeiten bei der Ombudsstelle ist geplant.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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