Digitalhauptstadt geht offline
Kostenloses Stadt-WLAN „Free WiFi Berlin“ wurde zum Jahresende abgeschaltet
Das 2015 gestartete fünfjährige Pilotprojekt „Free WiFi Berlin“ lief Ende 2021 aus. Der Senat will das stadtweite Umsonst-Internet künftig selbst betreiben.
Kostenlos surfen im Café, recherchieren in der Bibliothek, Nachrichten lesen auf öffentlichen Plätzen wie am Brandenburger Tor, Alexanderplatz, vor dem Roten Rathaus oder in der Staatsoper: Obwohl Berlin immer gern die Digitalhauptstadt sein möchte, ist das derzeit nicht mehr möglich. Zumindest nicht im kostenlosen „Free WiFi Berlin“. Weil der Vertrag zwischen dem Senat und der Nürnberger Betreiberfirma abl social federation planmäßig Ende 2021 auslief, ist Berlins Stadtnetz seit 1. Januar offline. „Alle WLAN-Hotspots sind abgeschaltet“, sagt ABL-Projektleiter Bernhard Höfling.
Zugangspunkte an 499 Standorten
Die Internetfirma, die in mehreren Bundesländern WLAN-Netze betreibt, hatte im Rahmen eines Pilotprojekts im Auftrag des Senats zuletzt 2029 drahtlose Zugangspunkte an 499 Standorten in Betrieb. Die Funkantennen waren in Rathäusern, Bibliotheken, Jugendklubs, an öffentlichen Plätzen und vielen weiteren Orten installiert. Allein am Alex sorgten 13 Zugangspunkte für kostenloses Internet. Und das Stadtnetz „Free WiFi Berlin“ war sehr erfolgreich, wie die Zugriffszahlen zeigen. Knapp 45 Millionen Mal haben sich von Januar bis November 2021 Leute mit dem Handy oder Laptop in das Stadtnetz eingewählt.
Wie es nach dem Ende der Pilotphase weitergeht, ist derzeit unklar. Der Senat will das kostenfreie WLAN-Netz aber weiter betreiben und hat das landeseigene IT-Dienstleistungszentrum (ITDZ) mit der Betreuung und dem Ausbau beauftragt. Das ITDZ soll das Stadtnetz zukünftig selbst betreiben oder eine Ausschreibung an Fremdbetreiber starten, wie die Senatskanzlei auf eine Anfrage des Abgeordneten Tobias Schulze (Die Linke) mitteilt. Eine einfache Verlängerung des Vertrags mit ABL sei vor allem aus vergaberechtlichen Gründen nicht möglich gewesen.
Schulze will, dass das freie Internet so schnell wie möglich wieder ans Netz geht. Dem Senat wirft er vor, den nahtlosen Übergang verschlafen zu haben. ABL-Mann Bernhard Höfling nimmt den Senat in Schutz und sieht die Ursachen für die Verzögerung in der Pandemie. „Ohne Corona hätte es keine Unterbrechung gegeben“, sagt er. Die Vorbereitungen für neue Ausschreibungen liefen bereits, doch dann kam das Virus. „Impfzentren zu bauen war wichtiger als öffentliches WLAN“, zeigt sich Höfling verständnisvoll für die „richtige Prioritätensetzung“ der Berliner Regierung.
Seine Firma will jetzt für die Übergangszeit allen 499 Standorten anbieten, Einzelverträge mit ABL abzuschließen. Wenn ein Rathaus oder Seniorenclub das WLAN bezahlt, sollen die Antennen wieder scharfgeschaltet werden. „Ansonsten holen wir die Sachen ab“, so Höfling. Die Kosten für einen WLAN-Zugangspunkt belaufen sich zum Beispiel am Alexanderplatz auf 26 Euro monatlich. Der Senat müsste für die 13 Antennen dort also 4056 Euro an ABL bezahlen, wenn er dort freies WLAN will.
Für den Betrieb von „Free WiFi Berlin“ hat der Senat über eine halbe Million Euro jährlich an ABL bezahlt. Die Kosten wären höher gewesen, wenn ABL nur das Netz betrieben und gewartet hätte. Einen Teil der Einnahmen hatten die Nürnberger mit Werbung generiert. Wer sich bisher mit dem kostenlosen WLAN „Free WiFi Berlin“ per Handy oder Computer verbunden hatte, konnte zwar unbegrenzt lange surfen, musste aber zum Start einen Werbespot anschauen, erst dann ging es weiter. Das soll wohl zukünftig so nicht mehr sein. „Ein Konzessionsmodell wurde bereits verworfen“, schreibt Senatskanzleichef Severin Fischer. Berlins kostenloses Stadt-WLAN solle frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2022 wieder funktionieren, so Fischer. Der Neustart hänge von der Ausschreibung und der erfolgreichen Durchführung der erforderlichen Vergabeverfahren ab.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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