Baustadtrat will Papageien-Platte kaufen
Mieter protestieren gegen Abriss ihres Wohnhauses in der Habersaathstraße
Bei einer Protestveranstaltung der 20 verbliebenen Mieter im DDR-Plattenbauriegel an der Habersaathstraße 40–48 am 20. Februar hat Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) den Mietern und zahlreichen Unterstützern zugesagt, dass der Bezirk dem Investor vorschlagen will, das Haus an die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) zu verkaufen.
„Dann wäre der Investor aus dem Ding raus und kann sich wieder anderen Vorhaben zuwenden“, sagte Gothe. Das "Ding" ist mittlerweile ein Politikum und ein „Präzedenzfall für das neue Zweckentfremdungsverbot“, so Gothe. Der Investor, die Arcadia Estates Habersaathstraße 40–48 GmbH, die das ehemalige Schwesternheim der Charite Anfang 2018 gekauft hat, will das Gebäude mit 106 Wohnungen abreißen und einen Neubau samt Tiefgarage mit 91 Luxusappartements errichten. Alle Mieter haben Verwertungskündigungen zu Ende Februar oder Mai bekommen.
Das Bezirksamt hat den Abrissantrag von Juli 2018 Ende des Jahres abgelehnt. Laut neuem Zweckentfremdungsverbotsgesetz darf Wohnraum nur abgerissen werden, wenn angemessener Ersatzwohnraum in der Nähe zu maximal 7,92 Euro Nettokaltmiete pro Quadratmeter geschaffen wird. Die Firma Arcadia wehrt sich juristisch gegen das Abrissverbot des Bezirkes. Denn eine Genehmigung für einen Neubau hatte das Bauamt bereits im Februar 2018 erteilt.
Kältemobbing im Winter
Der Hauseigentümer geht seit Monaten mit rabiaten Methoden gegen die verbliebenen Mieter vor. Wie Daniel Diekmann, Sprecher der Nachbarschaftsinitiative Habersaathstraße (IG HAB) sagt, würden die Mieter eingeschüchtert. Mitten im Winter werden die Fenster der leerstehenden Wohnungen offen gelassen, um das Haus auszukühlen. Die Mieter sprechen von Kältemobbing. Der Bezirk geht auch gegen den Leerstand in rund 80 Wohnungen vor. Eine Wohnung darf laut Sebastian Bartels vom Berliner Mieterverein maximal drei Monate leerstehen.
Die Mieter kämpfen für eine Rekommunalisierung der Papageien-Platte, wie der DDR-Plattenbauriegel direkt gegenüber dem BND-Neubau wegen seiner bunten Kacheln über den Eingängen früher genannt wurde. Nach dem Verkauf des Charite-Schwesternwohnheims 2005 verschwand die bunte Fassade bei der Sanierung unter einer Wärmedämmung. Der damalige Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hatte das Haus in der Habersaathstraße 40–48 mit 106 Wohnungen 2005 zum Höchstgebot verkauft. Für die 5100 Quadratmeter Gesamtfläche hat Berlin zwei Millionen Euro bekommen. Das Gebäude, in dem es auch ein Gästehaus mit 20 Pensionszimmern gibt, soll an den jetzigen Eigentümer für das Zehnfache gegangen sein. Viele Wohnungen wurden jahrelang illegal als Ferienappartements vermietet. Etliche Mieter sind schon ausgezogen und sollen Abfindungen zwischen 2000 und 20 000 Euro bekommen haben.
WBM-Verkauf ungewiss
Die Arcadia wollte ursprünglich das Gebäude modernisieren. Nach bereits verschickten Modernisierungsankündigungen Mitte 2018 hat sich der Investor später für Abriss und Neubau entschlossen. Die hohen Sanierungskosten und die erzielbaren Mieten würden eine angemessene Bewirtschaftung nicht zulassen. Baustadtrat Gothe will dem Eigentümer aufgrund der Abrissblockade jetzt den Verkauf an die WBM schmackhaft machen. Arcadia bevorzugt es jedoch, den Streit mit dem Bezirksamt vorerst gerichtlich auszutragen. Gothe nennt das „bedauerlich, weil ungewiss bleibt, was mit dem Haus passieren soll“. Daniel Diekmann freut sich indes über Gothes Kaufangebot. „Wir wären bereit, zur WBM zur gehen“, sagt er.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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