Katholische Kirche
Missbrauchsverdacht gegen Kardinal Hengsbach

Foto: Fritz Fischer/DPA

Dem 1991 verstorbenen Gründungsbischof des Bistums Essen wird Missbrauch in mindestens zwei Fällen vorgeworfen. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, wäre Hengsbach der erste deutsche Kardinal, dem selbst Missbrauch nachgewiesen wird.

Franz Hengsbach war einer der bekanntesten katholischen Geistlichen der Nachkriegsgeschichte - und steht jetzt unter Missbrauchsverdacht. 1958 gründete er das Ruhrbistum Essen und leitete es bis zu seinem Tod im Jahr 1991. Papst Johannes Paul II. hatte ihn 1988 zum Kardinal ernannt, Hengsbach war zudem jahrzehntelang Militärbischof und gründete das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat.

Unter anderem wirft eine heute 86 Jahre alte Frau Franz Hengsbach und dessen Bruder Paul, der ebenfalls Priester war, sexuellen Missbrauch vor. Das Bistum Essen und das Erzbistum Paderborn, in dem Hengsbach zuvor Weihbischof war, machten die Vorwürfe am Dienstag gemeinsam öffentlich. Sollten sie sich bewahrheiten, wäre Franz Hengsbach der erste deutsche Kardinal, dem selbst Missbrauch nachgewiesen wird. Das Bistum Essen nennt die Anschuldigungen "gravierend".

Zwei Vorwürfe betreffen Hengsbachs Zeit in Essen, ein Vorwurf seine Zeit in Paderborn. Im Oktober hatte sich dem Essener Bistumssprecher Ulrich Lota zufolge eine Person bei den Ansprechpersonen des Bistums Essen gemeldet und zu Protokoll gegeben, im Jahr 1967 einen sexuellen Übergriff durch Hengsbach erlitten zu haben. Der amtierende Essener Bischof Franz-Josef Overbeck veranlasste daraufhin Nachforschungen - unter anderem im Erzbistum Paderborn, dem Herkunftsbistum Hengsbachs. Und auch dort wurde man fündig, in Form eines Vorgangs aus dem Juni 2011.

Damals hatte sich nach Angaben des Erzbistums Paderborn eine Frau beim damaligen Missbrauchsbeauftragten gemeldet und angegeben, im Jahr 1954 im Alter von 16 Jahren von Franz Hengsbach und dessen Bruder Paul missbraucht worden zu sein. Paul Hengsbach war ebenfalls Priester im Erzbistum Paderborn, er starb 2018. Den Akten zufolge sei Paul Hengsbach im Jahr 2011 im Erzbischöflichen Generalvikariat befragt worden und habe alles abgestritten. "Die Beschuldigungen wurden aufgrund der Gesamtumstände im Ergebnis als nicht plausibel bewertet, wenngleich angemerkt wurde, dass sich die mutmaßliche Betroffene an die äußeren Umstände genau erinnere", teilte das Erzbistum Paderborn am Dienstag mit.

Zur weiteren Prüfung sei der Fall an die Glaubenskongregation in Rom übergeben worden, diese habe aber kein Verfahren eingeleitet. Rückblickend müsse die damalige Plausibilitätsbeurteilung "leider deutlich infrage gestellt werden", heißt es beim Erzbistum Paderborn. Dort untersuchte man daraufhin auch die Personalakten von Paul Hengsbach - und fand auch bei ihm noch einen weiteren Fall.

Bereits 2011 sei das Bistum Essen zudem von einer Behörde von Missbrauchsvorwürfen gegen Franz Hengsbach in Kenntnis gesetzt worden, sagt Ulrich Lota der Süddeutschen Zeitung. Die Missbrauchsbeauftragte habe damals umgehend Kontakt zu der Person gesucht. Im Jahr 2014 hatte die Person den Vorwurf gegen Kardinal Hengsbach dann aber über ihren Anwalt zurückgenommen.

Bischof Overbeck rief Betroffene auf, sich zu melden: "Sollten Sie selbst sexualisierte Gewalt durch Kardinal Hengsbach erlitten haben, dann wenden Sie sich bitte an die beauftragten Ansprechpersonen im Bistum Essen", sagte Overbeck. "Das Gleiche gilt auch, wenn Ihnen Hinweise bekannt sind, die für die weitere Aufarbeitung hilfreich sein können."

Quelle: Süddeutsche Zeitung

Autor:

Mirko Falstaub aus Mitte

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