Politik-Simulation: 200 Schüler als EU-Abgeordnete
Am 19. und 20. Januar sank das Durchschnittsalter im Berliner Abgeordnetenhaus drastisch. Schüler aus ganz Deutschland simulierten dort zwei Tage lang das Europäische Parlament. Am Ende stand die Erkenntnis: Internationale Politik ist ganz schön kompliziert, doch die EU ein Gewinn für alle.
Die große Mehrheit junger EU-Bürger sieht sich als Europäer, empfindet kulturelle Vielfalt als bereichernd und Nationalismus als Problem. Das hat die 2016 erschienene europaweite Studie „Generation What?“ ergeben. Allerdings haben über 80 Prozent der Befragten unter 34 Jahren kein Vertrauen in die Politik. Auch in Deutschland sind die Skeptiker in der Überzahl. Dafür ist die Bereitschaft, sich politisch zu engagieren, hier am größten.
Genau dieses Potenzial will die Junge Europäische Bewegung (JEB) nutzen. Um zu erreichen, dass mehr junge Menschen sich mit ihren Vorstellungen der EU in die Politik einmischen, organisiert der Verein regelmäßig Veranstaltungen wie Workshops, Diskussionen und Planspiele. Dazu gehört seit Jahren auch die Simulation Europäisches Parlament (SIMEP), die am 19. und 20. Januar zum 19. Mal im Berliner Abgeordnetenhaus stattfand. Über zwei Tage hinweg lernten Schüler der 10. bis 13. Klassenstufe dabei den Alltag der EU-Parlamentarier kennen.
Sie diskutierten in Ausschüssen und Fraktionen über die Zukunft ohne Großbritannien sowie eine gemeinsame Sicherheitspolitik und entwickelten Positionen, die sie schließlich im Parlament verhandelten. „Man muss kompromissfähig sein und trotzdem eine eigene, starke Position vertreten“, stimmte Ralf Wieland, der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, die Schüler in seiner Auftaktrede ein.
Die Herausforderung bestand darin, in zwei Tagen konstruktive Lösungen für komplexe Probleme zu erarbeiten, für die man im Gegensatz zu den echten EU-Parlamentariern kein Experte ist. Das war ein hoch gestecktes Ziel für Menschen, die gerade erst oder noch nicht einmal volljährig sind. Obwohl die meisten SIMEP-Teilnehmer sich sehr gut vorbereitet hatten, war ihr Wissen über die EU unterschiedlich groß.
Persönliche Ansichten vertreten
„Jeder soll teilnehmen können. Deshalb erklären wir den Schülern anfangs mit einfachen Schaubildern die Abläufe und die Organe in der EU. Wir versuchen, gerade die Schüchternen ohne politische Erfahrung zu motivieren“, sagt Sophia Simon, die dem Berlin-Brandenburger Landesverband der JEB vorsitzt. Die SIMEP ist ein politisches Rundumtraining. Dabei üben die temporären Parlamentarier nicht nur untereinander, ihre Positionen mit guten Argumenten zu vertreten, sie müssen sich auch bei einer Pressekonferenz Jungjournalisten und ihren kritischen Nachfragen stellen.
Überwiegend konnten die Schüler ihre Fraktion nach eigenen Vorlieben wählen, nur den erfahrungsgemäß unpopulären Gruppen am rechten Rand wurden Mitglieder zugeteilt. Die Mehrheit der Teilnehmer vertrat so auch persönliche Ansichten.
Inwieweit stärkt eine solche Erfahrung die eigene Position? Lars Krähmer, der aus Hessen angereist ist, sagt: „Ich hatte mich vorher schon mit der liberalen Fraktion beschäftigt. Jetzt stehe ich noch mehr hinter ihren Vorstellungen über die EU.“ Sein Freund Frederic Geister, der dieselbe Fraktion vertritt, ergänzt: „Meiner Meinung nach ist es extrem wichtig, dass die Staaten bei gemeinsamen Problemen zusammenarbeiten. Die EU ist für alle ein Vorteil, davon bin ich nun noch überzeugter.“
Und noch etwas nehmen die beiden mit: In Zeiten, in denen Populisten mit einfachen Antworten Massen begeistern, haben sie erlebt, wie kompliziert und anstrengend Politik sein kann. „Nach der Innenperspektive verstehe ich, dass manche Entscheidungen lange dauern, weil sie auf vielen Ebenen abgestimmt werden müssen. Auf den Abgeordneten lastet ziemlich viel Druck und Verantwortung“, sagt Geister.
Autor:Josephine Macfoy aus Schöneberg |
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