Bezirke fühlen sich überrumpelt
Senat will den Gastronomen die Sondernutzungsgebühren auch rückwirkend erlassen
Der Senat hat im Dezember beschlossen, dass Gastronomen in diesem Jahr keine Gebühren zahlen müssen, wenn sie Tische und Stühle auf den Bürgersteig stellen. Sie sollen zudem bereits gezahlte Sondernutzungsgebühren für öffentliches Straßenland rückwirkend auch für 2023 erstattet bekommen. Dagegen wehren sich jetzt die Bezirke.
Acht Bezirke fordern in einem sogenannten Amtshilfeersuchen Unterstützung vom Senat für die beschlossene Rückzahlung. Mit den „knappen personellen Ressourcen, mit denen die Bezirke ausgestattet sind“, sei eine „Rückabwicklung der bereits eingegangenen Zahlungen in der Praxis schlichtweg unmöglich“, heißt es in dem Schreiben an Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) und Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU). Unterzeichnet haben die gemeinsame Erklärung die Bezirksämter Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Lichtenberg, Mitte, Neukölln, Tempelhof-Schöneberg, Treptow-Köpenick und Steglitz-Zehlendorf.
Für die vom Senat versprochenen Gastro-Geschenke müssten in allen Bezirken rund 10 000 Kostenbescheide rückabgewickelt werden. Weil Genehmigungen für Kneipentische auf Gehwegen teilweise einmalig für mehrere Jahre beantragt und genehmigt werden, „entsteht ein zusätzlicher bürokratischer Aufwand bei der anteiligen Rückerstattung für 2023“, heißt es. In Tempelhof-Schöneberg zum Beispiel müssten 630 Vorgänge bearbeitet werden. In Mitte und in Friedrichshain-Kreuzberg sind jeweils über 1000 Bescheide betroffen. „Mitarbeiter*innen aus den Straßen- und Grünflächenämtern wären monatelang ausschließlich mit der Rückabwicklung der Gebühren beschäftigt, statt ihren regulären Aufgaben nachzukommen“, moniert das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg in einer Pressemitteilung.
Die Bezirke seien von der Senatsentscheidung Ende vergangenen Jahres überrascht worden. „Der Senat hat den Erlass der Sondernutzungsgebühren für 2023 ohne Rücksprache mit den von der Entscheidung betroffenen Bezirksämtern verabschiedet“, ärgert sich Friedrichshain-Kreuzbergs Bürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne). Ihr Bezirk sei wie die anderen „für die Umsetzung dieser Entscheidung auf Unterstützung aus den zuständigen Senatsverwaltungen angewiesen“. Clara Herrmann pocht derweil auf die Senatszusage, „dass den Bezirken keine Kosten anfallen und die Einnahmeausfälle erstattet werden“.
Die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt wollte sich zu den Forderungen der Bezirke zunächst nicht äußern und die Sitzung des Rates der Bürgermeister zu diesem Thema (nach Redaktionsschluss) abwarten, wie Schreiners Sprecherin Britta Elm auf Anfrage der Berliner Woche sagte. Wie berichtet, will der Senat mit der Gebührenbefreiung für 2023 und 2024 Bar- und Restaurantbesitzer in weiterhin schwierigen Zeiten unterstützen. Bereits in den Corona-Jahren durften die Wirte ihre Tische umsonst rausstellen. Sogar Parkbuchten wurden unter der damals von den Grünen geführten Verkehrsverwaltung zu Gratissitzecken. Hintergrund der jetzigen Unterstützung ist die von der Ampelregierung beschlossene Mehrwertsteuererhöhung für Restaurants auf 19 Prozent. Der Steuersatz auf Speisen war in der Corona-Zeit auf sieben Prozent gesenkt worden.
Mit dem Erlass der Gastro-Gehweggebühren sollen „Arbeitsplätze erhalten und der Wirtschaftsstandort Berlin gestärkt werden“, sagte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) im Dezember. Die Befreiung gilt nicht nur für Gastronomen, sondern auch für Schausteller und Veranstalter, die Messe- und Kongresswirtschaft, den Einzelhandel und die Kultur- und Kreativwirtschaft. Nach dem Beschluss hatte die zuständige Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt den bezirklichen Straßen- und Grünflächenämtern und Ordnungsämtern die neue Regelung mitgeteilt. Die Bezirke sollen die entgangenen Einnahmen aus der Sondernutzungsgebühr vom Senat erstattet bekommen.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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