Wem gebe ich meine Stimme?
Unterschiedliche Internetangebote wollen den Bürgern bei ihrer Wahlentscheidung helfen
Seit 2002 bietet die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) vor Wahlen auf Bundes- und Landesebene und zu Europawahlen den Wahl-O-Mat. Mittlerweile gibt es einige andere Projekte, die bei der Wahlentscheidung helfen wollen.
Ein Team aus Jungwählern, Wissenschaftlern, Journalisten und Bildungsexperten sowie von der Bundeszentrale für politische Bildung – einer Behörde des Innenministeriums – stellt vor den Wahlen Thesen auf, zu denen sich die Parteien im Vorfeld äußern können. Die fließen in den Wahl-O-Mat. Nutzer können zustimmen oder ablehnen oder neutral drücken. Der Wahl-O-Mat errechnet die prozentuale Übereinstimmungen der Antworten mit den Antworten der Parteien. Man kann seine Antworten auf die Thesen auch noch gewichten; dann fließen sie doppelt in die Berechnung ein. Für die Abgeordnetenhauswahlen gibt es beim Berliner Wahl-O-Mat 38 Thesen, zu denen sich 33 von 34 Parteien, die mit einer Bezirks- oder Landesliste antreten, geäußert haben. Dabei geht es zum Beispiel um Wohnungskäufe durch den Senat, den umstrittenen A100-Weiterbau, Pop-up-Radwege und die Lehrerverbeamtung.
Der Wahl-O-Mat ist der Platzhirsch unter den Wahltools und wurde zur letzten Bundestagswahl 16 Millionen Mal gespielt. Es gibt aber auch Kritik an dem bpb-Automaten, weil er nur drei Antwortmöglichkeiten zulässt und die Thesen auf den Parteiprogrammen basieren und nicht auf dem, was die Politiker tatsächlich machen. Beim „Wahltest“ der Berliner Digitalagentur Wegewerk hingegen gibt es nicht nur Ja, Neutral und Nein zur Auswahl. Bei den 25 Fragen muss man sich präzise festlegen, in welchem Jahr das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet werden soll oder mit welchen konkreten Maßnahmen bestimmte Ziele am besten umgesetzt werden können.
Eine Alternative ist auch das Tool „DeinWal“. Statt der Thesen aus den Parteiprogrammen werden vergangene Abstimmungen zu unterschiedlichen Themen gezeigt, also das, was die Parteien schon gemacht haben. Dazu hat das ehrenamtliche „DeinWal“-Team 200 Bundestagsabstimmungen von 2017 bis 2021 für 25 Fragen ausgewählt. Das reale Abstimmungsverhalten der Parteien kann der Nutzer mit Daumen hoch oder runter markieren. Nachteil: Es sind natürlich nur die Parteien dabei, die derzeit im Bundestag sitzen. Ideen aller anderen Parteien werden so nicht berücksichtigt.
Neu ist auch der „Berlin-O-Mat“ , den Politikstudenten der Humboldt-Uni erstmals mit Journalisten vom Tagesspiegel entwickelt haben. Während sich der Wahl-O-Mat nur auf die Abgeordnetenhauswahl beschränkt, kombiniert der „Berlin-O-Mat“ die Themen auf Landes- und Bezirksebene. Das Programm zeigt Wählern, mit welchen Parteien sie die höchste Übereinstimmung bei Bezirks- und Landesthemen haben. Dazu muss man beim Start nur den Bezirk angeben. Neben Berlin-Thesen wie „Mitarbeiter des Landes Berlin sollten zu einer Corona-Schutzimpfung verpflichtet werden“ kann man zum Beispiel für Mitte kiezspezifische Thesen wie „Die Karstadt-Filiale am Leopoldplatz sollte mit Unterstützung des Bezirks erhalten werden“ oder „Der Schutz der Flora und Fauna des Plötzensees sollte konsequent durchgesetzt werden“ zustimmen oder ablehnen.
Persönliche Antworten der Direktkandidaten
Spannend und interessant für eine Orientierung vor den Bundestagswahlen ist auch der Kandidaten-Check der gemeinnützigen Transparenzorganisation abgeordnetenwatch.de. „Im Gegensatz zu anderen Wahlentscheidungshilfen basiert unser Kandidierenden-Check auf den persönlichen Antworten der Direktkandidaten, nicht auf den Positionen der Parteien“, sagt Ghasal Falaki von abgeordnetenwatch.de. Nach Eingabe der Postleitzahl kann man so die Einstellungen der Direktkandidaten aus seinem Wahlkreis mit seinen vergleichen und so entscheiden, wem er seine Erststimme gibt.
Es gibt auch Wahlhilfen mit inhaltlichen Schwerpunkt. „Wahltraut“ ist als Entscheidungshilfe „die Wahlberaterin für die Bundestagswahl 2021“, wie die Macher der Fraueninitiative sagen. „Wahltraut“ ist „Expertin für Gleichstellungspolitik“ und klopft die Parteien in 32 Fragen unter anderem zu Themen wie faire Bezahlung, Antirassismus und Inklusion ab. Der „Sozial-O-Mat“ von der Diakonie beschäftigt sich ähnlich wie „Wahltraut“ mit bestimmten Themen. Er nimmt die Sozialpolitik der Parteien unter die Lupe. Weitere monothematische Wahlhilfen sind der „Klimacheck“ mit Umweltthemen, der „Agrar-O-Mat“ für Landwirte und der „Steuer-O-Mat“ vom Institut der deutschen Wirtschaft, der am Ende anzeigt bei welcher Partei man konkret die meisten Steuern spart. Der „WahlSwiper“ funktioniert wie die Tinder-Dating-App. Bei Zustimmung zu einer der Thesen wischt man nach rechts, wenn man dagegen ist, nach links. Die App ist vom Verein „Vote-Swiper“, der die kostenlose Smartphone-App durch Spenden finanziert.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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