Pflege um jeden Preis?
Kostensteigerungen von bis zu 50 Prozent auch für Pflegebedürftige
Zurzeit kündigen viele Pflegeheime enorme Preissteigerungen an. Ratsuchende, die sich deshalb an die Verbraucherzentrale gewandt haben, sind mit Erhöhungen von bis zu 50 Prozent konfrontiert.
Die Anbieter begründen das mit dem Gesundheitsversorgungsentwicklungsgesetz (GVWG), das Einrichtungen dazu verpflichtet, ihre Pflege- und Betreuungskräfte auf Tarifniveau zu bezahlen. Ferner werden die Entgelterhöhungen mit den gestiegenen Preisen insgesamt begründet. Obwohl Verbraucher eine bessere Entlohnung der Pflegekräfte befürworten, sind viele mit den Entgelterhöhungen überfordert.
Zurzeit informieren viele Einrichtungen über die beabsichtigte Erhöhung und den Erhöhungszeitpunkt. Es ist noch unklar, wie hoch die Entgelterhöhungen tatsächlich ausfallen werden. Die Höhe der meisten Entgelte wird zwischen den Einrichtungen und Pflegekassen sowie Trägern der Sozialhilfe ausgehandelt. Dabei wird auch die Angemessenheit der Erhöhung geprüft. Die Einrichtungen teilen in den Ankündigungsschreiben an die Verbraucher also zunächst den Erhöhungsbetrag mit, den sie in den Verhandlungen erreichen wollen. Erst durch den Verhandlungsabschluss wird die tatsächliche Erhöhung und deren Zeitpunkt festgelegt und die Anbieter dürfen diesen Betrag von den Bewohnern fordern.
Das Gesetz gibt keine Grenze vor, bis zu welchem Prozentsatz die Kosten erhöht werden dürfen. Solche Preissteigerungen und deren Kalkulation können sehr komplex sein und sind für die Verbraucher oft nicht nachvollziehbar. Auch wenn sich die Höhe der geforderten Beträge noch ändern kann, sollte man das Schreiben trotzdem genau lesen. „Es gibt ein gesetzlich fest vorgeschriebenes Verfahren, das die Einrichtungen einhalten müssen, damit die Entgelterhöhung wirksam werden kann“, sagt Oleh Vovk, Leiter im Projekt „Pflegerechtsberatung“ bei der Verbraucherzentrale Berlin.
• Die Einrichtung muss schriftlich mindestens vier Wochen im Voraus mitteilen, um welchen Betrag das Entgelt erhöht wird und ab welchem Zeitpunkt.
• Die Entgelterhöhung muss begründet sein.
• Es müssen alle Positionen benannt werden, für die sich eine Entgelterhöhung ergeben wird.
• Im Schreiben müssen die alten und neuen Entgeltbestandteile gegenübergestellt sein.
• Der Maßstab, nach dem die Kostensteigerung auf die Verbraucher in einer Einrichtung umgelegt wird, muss im Schreiben angegeben werden.
• Die Verbraucher sollen Gelegenheit bekommen, die Kalkulationsunterlagen einzusehen.
• Die Verbraucher müssen der Entgelterhöhung zustimmen, bevor das neue Entgelt in Rechnung gestellt werden kann.
Werden die gesetzlichen Pflichten nicht erfüllt, ist die Entgelterhöhung unwirksam. In diesem Fall sollten die Verbraucher ihre Zustimmung verweigern. Die Einrichtung müsste dann die Zustimmung einklagen.
Eine andere Option, bei einer angekündigten Entgelterhöhung vorzugehen, ist die Kündigung. „Es besteht ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht für die Bewohner zu jenem Zeitpunkt, an dem die Einrichtung das erhöhte Entgelt verlangt. Bevor jedoch gekündigt wird, sollte zunächst geprüft werden, ob eine geeignete Alternative gefunden werden kann“, rät Oleh Vovk.
Die Pflegekassen beteiligen sich künftig mit einem nach Aufenthaltsdauer gestaffelten Leistungszuschlag an dem einrichtungseinheitlichen Eigenanteil. Zu spürbaren Entlastungen führt die neue Regelung jedoch erst bei längeren Aufenthalten, wie eine Untersuchung des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) zeigt. RR
Die Pflegerechtsberatung berät Pflegebedürftige und ihre Angehörigen zu vertragsrechtlichen Fragen in der Pflege. Kontakt per E-Mail unter pflegerecht@vz-bln.de, in dringenden Fällen telefonisch unter (030) 21 48 52 60.
Autor:Ratgeber-Redaktion aus Mitte |
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