Ausbildungsberufe: In Berlin mangelt es an Nachwuchs
"Ich zahle den Azubis ein Grundgehalt von 80 Prozent des Tariflohns, das ist erlaubt", erklärt der Inhaber der Firma Wilke Elektro-Service. Diese Basis können die Azubis selbst aufstocken und sogar über den Tariflohn erhöhen, wenn sie gut mitarbeiten. So gibt der Chef sowohl fürs Pünktlichsein ein paar Euro extra als auch, wenn das Berichtsheft ordentlich geführt und das Werkzeug nach getaner Arbeit wieder vollständig beisammen ist. Was streng klingt, weckt bei den angehenden Elektrikern allerdings eine große Motivation. "Und die Eltern freuen sich, wenn die Jugendlichen endlich mal Regeln akzeptieren", sagt Wilke. Ab dem dritten Lehrjahr bekommen seine Azubis bereits eigene Projekte, die sie selbstständig ausführen. Es gehe um Verantwortung, Vertrauen und ein gutes Miteinander. Damit will Wilke seine Mitarbeiter lange in der Firma halten, gute Lehrlinge übernimmt er gerne als feste Mitarbeiter. Derzeit hat er drei Azubis, von denen zwei bald fertig sind. Ersatz ist noch nicht gefunden. "Die Jugendlichen wollen lieber studieren", beklagt der Handwerker.
Das hat Folgen. Für das neue Ausbildungsjahr suchen noch immer viele Unternehmen nach Azubis. Allein im Handwerk sind es über 500 freie Lehrstellen, die Lehrstellenbörse der Industrie- und Handelskammer (IHK) weist aktuell rund 1300 unbesetzte Plätze auf. Neben Lehrlingen suchen Firmen auch nach fertig ausgebildeten Fachkräften. Bereits in diesem Jahr fehlen dem Berliner Arbeitsmarkt laut einer Prognose der IHK 75 000 Fachkräfte. Davon 64 000 mit beruflicher Qualifikation, also ohne Studium, sondern mit abgeschlossener Berufsausbildung.
Seit dem schlechten Abschneiden Deutschlands bei der Pisa-Studie hat der Druck auf die Schüler zugenommen. Alle sollen möglichst studieren. "Die Politik hat diese Entwicklung lange unterstützt und dabei die Bedeutung der Berufsausbildung aus dem Blick verloren", sagt Simon Margraf von der IHK Berlin.
Dazu kommt die demografische Entwicklung. Die Schülerzahlen sinken und die Bevölkerung altert. "Im Jahr 2030 könnten 250.000 Fachkräfte in Berlin fehlen, wenn nichts dagegen unternommen wird", sagt Margraf. Der Senat versucht deshalb, die Berufsberatung an den Schulen zu verbessern. "Die Informationslücken sind ein Problem. Viele Jugendliche wissen nicht, welche Chancen die Ausbildungsberufe bieten, wie man damit Karriere machen kann und was man verdient", sagt Margraf.
Auch die Betriebe erkennen, dass sie etwas tun müssen, um langfristig gute Mitarbeiter zu haben. Guido Wilke versucht es mit dem familiären Klima im Betrieb und den kleinen Extras, die sich jeder dazuverdienen kann. Doch gerade die kleinen Firmen spüren die zunehmende Konkurrenz der Großen. "Mir ist es schon passiert, dass ein Mitarbeiter von einem großen Konzern abgeworben wurde, der mehr Geld bieten konnte", sagt Wilke.
Autor:Jana Tashina Wörrle aus Charlottenburg |
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