Berliner stimmen über die Zukunft ihrer Stromversorgung ab

Henrik Vagt von der IHK und Alexander Kraus vom Bund der Steuerzahler befürchten hohe Schulden und raten zu einem Nein. | Foto: Schubert
2Bilder
  • Henrik Vagt von der IHK und Alexander Kraus vom Bund der Steuerzahler befürchten hohe Schulden und raten zu einem Nein.
  • Foto: Schubert
  • hochgeladen von Thomas Schubert

Berlin. Mit dem Volksentscheid am Sonntag, 3. November, will der Berliner Energietisch den Rückkauf des Stromnetzes von Vattenfall und die Gründung eines Öko-Stadtwerks erreichen. Doch IHK und Bund der Steuerzahler warnen: Was sie mit einem Ja beim Volksentscheid riskieren, sei vielen Bürgern nicht klar.

Schlussspurt im Kampf um die Stimmen der Bürger: Der Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Stromversorgung ist in aller Munde, Plakate sollen Lust am Urnengang wecken. "Vattenfall den Stecker ziehen" titelt das markanteste. Darauf grinst fröhlich ein Bär, der dies tut.Stimmen mindestens 630 000 wahlberechtigte Berliner mit Ja, werden die Weichen gestellt, um die Stromversorgung als Teil der Daseinsvorsorge in die öffentliche Hand zurückzuholen. "Auf Strom sind wir alle täglich angewiesen", so betont Stefan Taschner vom Berliner Energietisch noch einmal die Wichtigkeit des Gesetzentwurfs, um den es geht. Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien könnte ein neu gegründetes Stadtwerk preiswert, aber wohl nicht billiger als bestehende Anbieter bereitstellen. Das Netz, mit dem Vattenfall zuletzt über 140 Millionen Euro Jahresgewinn erzielte, soll fortan die Landeskasse füllen. Rendite für alle.

Schlechtere Versorgungsqualität durch einen kommunalen Betreiber sei nicht zu befürchten. "Das beste Stromnetz derzeit wird in München betrieben - von den Stadtwerken." Berlin kann ähnliches leisten, glaubt Taschner. Zum Beispiel die Müllentsorgung durch die BSR funktioniert sicher und professionell.

Freilich müsste ein Stromnetz in Berliner Hand jedweden Strom durchleiten, auch klimaschädlichen. "Wenn mir eine Straße gehört, kann ich nicht entscheiden, wer darauf fährt", stellt Taschner einen Vergleich an. "Aber wenn ich breite Fußgänger- und Radwege baue, kann ich trotzdem auf den Verkehr Einfluss nehmen." Die Möglichkeit zum aktiven und sozialverträglichen Gestalten im Sinne der Energiewende wäre nun gegeben. Auch die IHK Berlin hat sich mit dem energiepolitischen Nutzen dieser Weichenstellung befasst. "Es bringt recht wenig", urteilt Henrik Vagt, Bereichsleiter Umwelt und Energie, mit Blick auf die Verpflichtung, jede Art von Strom durchzuleiten.

Besonders kritisch sieht Vagt den Netzkauf. "Die Investitionen zum Kauf des Stromnetzes sind so hoch, dass die Gewinne über 20 Jahre bestenfalls ausreichen, um diese Kosten zu decken", fasst er ein Gutachten zusammen, das die IHK erarbeitet hat. Denn die Entgelte sind gesetzlich reguliert, die Einnahmen begrenzt. "Wir kommen bestenfalls auf eine schwarze Null." Verlust machen kann das Land aber durchaus - zulasten der Steuerzahler.

"Berlin kann es sich nicht leisten. Berlin sollte es sich auch nicht leisten, weil es nichts bringt", so argumentiert Vagt für ein Nein beim Entscheid. An ihrer Seite weiß die IHK dabei den Bund der Steuerzahler Berlin. "Es gibt keine Notwendigkeit, hier zu investieren und ein Risiko einzugehen", warnt dessen Vorstandsvorsitzender Alexander Kraus.

Die Aufsicht durch die Bundesnetzagentur bietet aus seiner Sicht genügend Möglichkeit zur Kontrolle. Mit Sicherheit seien auf dem Markt etliche Stromanbieter vorhanden, unter denen Stromkunden die ökologischsten und günstigsten wählen können. Dazu brauche es nicht noch das Land Berlin mit eigenem Stadtwerk als weiteren Produzenten. Und das sei mit mindestens 63 Milliarden Euro Schulden hoch belastet. Ohne bezahlbaren Strom käme man ebenso wenig aus wie ohne Brot, vergleicht Kraus. Aber das kauft man auch nicht vom Staat.

Verantwortung übernehmen

Ein Kommentar von Helmut Herold

Schon wieder sind die Berliner aufgerufen zu wählen. Diesmal geht es um die Zukunft der Energieversorgung in der Stadt. Doch welche Argumente sind überzeugender? Die des Energietisches oder des Senats? Ich gebe zu, bislang habe ich mich noch nicht entschieden. Was ist, wenn ich mein Kreuz an der falschen Stelle setze? Ist es da nicht bequemer, sich zurückzulehnen und den Politikern dieses komplizierte Thema zu überlassen. Denn wer mitentscheidet, übernimmt Verantwortung, muss auch für die Folgen geradestehen. In den vergangenen Monaten haben sich viele Menschen dafür eingesetzt, dass das Volk entscheiden darf. Da wäre es echt blöd, wenn das Volk sich jetzt drückt. Deshalb werde ich am 3. November ins Wahllokal gehen und Verantwortung übernehmen. Machen Sie mit!

Thomas Schubert / tsc
Henrik Vagt von der IHK und Alexander Kraus vom Bund der Steuerzahler befürchten hohe Schulden und raten zu einem Nein. | Foto: Schubert
Stefan Taschner vom Energietisch ermuntert die Berliner beim Volksentscheid mit Ja zu stimmen. | Foto: Schubert
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Patienten fragen
Steine in der Gallenblase – was nun?

Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem. Etwa jede fünfte Person in Europa ist betroffen, und fast die Hälfte entwickelt im Laufe des Lebens Beschwerden. Diese äußern sich meist in Form von wiederkehrenden Schmerzen, insbesondere im rechten Oberbauch. In einigen Fällen können Gallensteine zu ernsthaften Komplikationen wie einer Entzündung der Gallenblase führen. Die bevorzugte Therapie bei Beschwerden ist die operative Entfernung der Gallenblase – in der Regel...

  • Reinickendorf
  • 12.02.25
  • 110× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Informieren Sie sich über Intensivmedizin. | Foto: 2022 Tomasz Kuzminski

Infoabend am 11. Februar
Grenzen und Möglichkeiten der Intensivmedizin

Die Intensivmedizin hat erstaunliche Fortschritte gemacht und bietet schwerstkranken Patienten Überlebenschancen, die früher undenkbar waren. Doch wo liegen die Grenzen dieser Hochleistungsmedizin? Welche technischen, personellen und ethischen Herausforderungen gibt es? Besuchen Sie unseren Infoabend mit Priv.-Doz. Dr. Stephan Kurz und erfahren Sie, wie intensivmedizinische Maßnahmen Leben retten, aber auch komplexe Entscheidungen erfordern. Was geschieht, wenn Therapieoptionen ausgeschöpft...

  • Reinickendorf
  • 29.01.25
  • 780× gelesen
Gesundheit und Medizin
Das Dominikus Krankenhaus informiert zur Robotik-Chirurgie bei Hüft- und Knieschmerzen. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Moderne Behandlung bei Hüft- und Knieschmerzen
Informationsabend Robotik-Chirurgie

Hüft- und Knieschmerzen beeinträchtigen die Lebensqualität und werden oft durch Verschleiß, Unfälle oder Fehlstellungen verursacht. Moderne Technologien wie die Robotik-Chirurgie bieten neue Möglichkeiten für eine präzisere und minimalinvasive Behandlung. Am 4. Januar laden wir Sie herzlich zu einem Informationsabend ein, bei dem Chefarzt Tariq Qodceiah, Leiter des Caritas Hüftzentrums, die Vorteile der Robotik-Chirurgie bei Hüft- und Knieschmerzen erläutert. Er erklärt, wie diese innovative...

  • Reinickendorf
  • 12.02.25
  • 100× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.