Beschämende Zustände im Rathaus: Stadtrat muss ungewöhnliche Wege gehen
Ins Sozialamt Wedding im Rathausaltbau kommen die Ärmsten. Dass es hier nicht um die schönen Seiten im Leben geht, zeigt schon das Ambiente im Haus. Abgeratzte Flure und völlig marode Fenster drücken auch auf die Stimmung der Mitarbeiter. In den Teeküchen auf den Etagen gibt es lediglich "sehr simple Spülbecken und einen einfachen Warmwasserboiler - sonst nichts", schrieb Sozialstadtrat Stephan von Dassel an fünf Möbelhäuser. Denn Geld für neue Küchen gibt es nicht, der Bezirk hat schon wieder eine Haushaltsperre. Um die "beschämenden Zustände" für seine Mitarbeiter zu verbessern, hat von Dassel bei den Möbelfirmen um Küchenspenden gebettelt. "Ältere Ausstellungsstücke oder Exemplare mit Mängeln. Ein einfaches Modell reicht hier vollkommen", schrieb von Dassel.
Als Gegenleistung bot er an, der Lokalpresse von der Unterstützung zu berichten, die 2300 Bezirksamtsmitarbeiter (und potenzielle Kunden) in der Personalinfo zu informieren und in der Teeküche selbst ein Sponsoringschild anzubringen sowie dort den jeweils aktuellen Werbeflyer des Möbelhauses auszulegen. Möbel Höffner in der Pankstraße hat auf von Dassels Hilferuf reagiert und eine kleine, blaue Ausstellerküche spendiert: Mit Kühlschrank, Spülmaschine und Herd. Höffner-Inhaber Kurt Krieger ist in Wedding aufgewachsen "und unser Stammhaus steht in Wedding, da helfen wir gern", sagt Höffner-Sprecher Jens Kretschmar. Das Unternehmen unterstütze regelmäßig karitative Einrichtungen wie zuletzt ein Behindertenheim. Eine Behörde war bisher nicht dabei, so Kretschmar.
Stephan von Dassel findet es schlimm, "dass das größte Sozialamt Berlins betteln muss." Seine Behörde habe einen Etat von 400 Millionen Euro und könne sich nicht einmal die Mindestausstattung leisten. "Mir ist bewusst, dass es Ihnen arg befremdlich erscheinen muss, dass die Unterhaltungs- und Investitionsmittel des Bezirksamts so knapp bemessen sind, dass nicht einmal für Teeküchen finanzielle Mittel zur Verfügung stehen", schreibt von Dassel und bittet "um Verständnis für mein ungewöhnliches Anliegen." Denn er habe seinen Mitarbeitern sein Wort gegeben, "auch ungewöhnliche Wege zu beschreiten, um die Arbeitssituation schrittweise zu verbessern." Höffners Spende der 3500 Euro teuren Küche hat auch dem Möbelunternehmen was gebracht. "Als Dankeschön hab ich jetzt bei Höffner mein neues Bett gekauft", sagt von Dassel. Er will auch noch zur Einweihung der Teeküche einen Warengutschein für das Höffner-Möbelhaus über 50 Euro spendieren und unter den Sozialamtsbeschäftigten verlosen. "Als kleine Entschädigung für die lange teeküchenlose Zeit."
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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